Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

MEZLER-ANDELBERG, Helmut J.: Österreichs „Schwarze Legende“. Zur Kritik an der Habsburgermonarchie durch österreichische Zeitgenossen Erzherzog Johanns

228 Helmut J. Mezler-Andelberg kation „Das Heer von Innerösterreich unter den Befehlen des Erzherzog Johann“ (1817) machen konnte. Das große Vertrauen, das der Prinz in den Historiographen setzte, hat dieser allerdings auf die Dauer nicht ge­rechtfertigt, wenn auch Johanns aufrechter vaterländischer Sinn sich bis zuletzt schmerzlich dagegen sträubte, an den Verrat Hormayrs zu glauben. Das zeigt deutlich sein Brief vom 11. Juni 1826 an Joseph von Hammer- Purgstall über die Nachricht vom beabsichtigten Übertritt des Freiherrn in bayerische Dienste, der zugleich dessen Verurteilung impliziert: „Was Hormayr betrifft, kann ich unmöglich glauben, wenn alle welche gekrän- ket sind oder sich gekränket glauben, so einen Entschluß faßten, so wäre es sehr übel und ich würde bald auch den Glauben an vielen aufgeben müssen, wogegen ich mich noch so viel wie möglich sträube; nach meinen Begriffen lieget wohl die wahre Tugend darinnen, Talente, Einsicht, Kraft, auch oft besser Wissen in sich zu begraben und sich beynahe vergessen zu machen, es ist gewiß besser, so ein schweres Opfer zu bringen, so einen bitteren Kampf mit sich zu bestehen, als zu vielem Verdrusse, Reibungen etc. Anlaß zu geben. Ich habe ersteren Weg eingeschlagen, darum ist doch das Gute nicht verlohren, denn es giebt so viele milde, edle Mitteln, um es der Nachwelt zu überliefern und dieser muß man es überlassen, das wahre Urtheil zu sprechen, wer izt schon darnach jaget ist ein Narr. Und vollends Hormayr nach Bayern, dieser Staat mag mit uns verschwägert und verbunden seyn wie immer, so blutet sein Vaterland durch denselben, die noch nicht aufgebauten Brandstädte, die vielen gefallenen Vertheidiger, Hofer etc. mir ist es unbegreiflich, wie er so etwas über das Herz bringen könnte, es müßte bey allen rechtlichen ihm den letzten Stoß geben. Wie kann man einen frohen Augenblick außer dem Vaterlande haben? hat er diesen Entschluß gefasset, so wird er es bald bitter bereuen“ 33). Wie groß ist doch der Unterschied, der sich zwischen beiden Männern hier auftut! Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß der Tiroler Freiherr und Hofhistoriograph unter den österreichischen Historikern seiner Generation der bekannteste, einflußreichste und angesehenste war. Ebenso sicher ist, daß sein hartes Urteil über die österreichische Geschichtsschreibung der Zeit nicht ganz unberechtigt war, wenn auch die Ursachen mancher Unzu­länglichkeit vielleicht tiefer lagen. Ihre Rückständigkeit gegenüber den in westlichen Ländern und in Deutschland bereits erzielten Leistungen hängt mit der allgemeinen Entwicklung des Geisteslebens und der Wissenschaf­ten in Österreich zusammen und findet ihren Ausdruck auch in der durch­aus untergeordneten Stellung, die der Geschichte auch damals noch an den Hochschulen zukam. Es dauerte noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, ehe die Geschichte an den Universitäten des Kaiserstaates ihre Einschät­zung als bloßes Bildungsmittel überwinden und sich einen Platz als 33) F. Ilwof: Erzherzog Johanns Briefe an Joseph Freiherrn von Hammer- Purgstall. Mitt. Hist. Ver. Stmk. 37 (1889), S. 39 f

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