Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich

Erzherzog Johanns Kritik an Österreich 209 können. Während Preußen nach dem Vorbilde Englands durch viel Geld sich die Presse kaufe und geeignete Individuen nur dafür anstelle, um für seinen Ruhm zu schreiben, bringe Österreich aus Kurzsichtigkeit nicht einmal das Geld und die Entschlußkraft auf, den gegen das Kaisertum gerichteten Angriffen gehörig entgegenzutreten; noch weniger sorge es für eine pragmatische Geschichtsschreibung durch Anstellung jener, die dazu berufen wären. Es sei nicht zu verwundern, wenn aus diesen Gründen in der Welt so viel Falsches über Österreich geschrieben werde, denn Öster­reich selbst verkleinere seine Geschichte, indem es seine Leistungen nicht hervorhebt. Es bleibt uns noch die Frage nach der Berechtigung der Kritik zu beantworten. Ihr Bogen ist weit gespannt, er reicht von den haßerfüllten Bemerkungen bei Hormayr und Charles Sealsfield über die bei Andrian von Werburg, Franz Grillparzer und dem Freiherrn von Kübeck, bis zu den strengen und scharfen Urteilen bei Erzherzog Johann. Werden diese mit denen etwa des Hofkammerpräsidenten Kübeck verglichen, und von den anderen Kritikern das Rankenwerk der Verbitterung abgestrichen, dann bleibt ein Gebiet übrig, in welchem die sonst so bunte Schar der Kri­tiker einig ist und das Franz Grillparzer in die Worte faßte: „Das ist der Fluch in unserm edlen Haus / auf halben Wegen und zu halber Tat / mit halben Mitteln zauderhaft zu streben. / Ja oder nein — hier ist kein Mittelweg.“ Das Zaudern der Wiener Zentralstellen wog doppelt schwer, da die Forderung nach Tätigkeit gerade in der ersten Hälfte des 19. Jahr­hunderts ungemein oft ausgesprochen wurde. Goethe verlangte „Tat um Tat“, aber auch Jean Paul, Ernst Freiherr von Feuchtersieben, Wilhelm von Humboldt77) und Friedrich Schiller ließen sich anführen, wobei Schiller an Theodor Körner schreibt: „Es ist nichts als die Tätigkeit nach einem bestimmten Ziel, was das Leben erträglich macht.“ Diese Tätigkeit sahen die Fortschrittlichen in Belgien seit Erlassung der dortigen Verfassung, in Württemberg78), in Baden und in Sachsen, wobei diese deutschen Bun­77) W. v. Humboldt: Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirk­samkeit des Staats zu bestimmen (Akademie-Ausgabe, Berlin 1903, S. 166), sagt sogar: „Meiner Idee nach, ist Energie die erste und einzige Tugend des Menschen.“ 78) Tagebucheintragung vom 10. bis 14. März 1817: „Ein wichtiges Ereignis trat ein. Es ist die Verfassung, welche der König von Württemberg seinem Lande gab. Er hatte die Ständeversammlung hinausgeschoben, niemand ver­muthete was er thun würde. Plötzlich erscheint er in der Ständeversammlung, eröffnet diese mit einer kräftigen, äußerst merkwürdigen Rede und leget ihnen den ganz bearbeiteten Entwurf vor. Ich habe ihn gelesen und tiefer Schmerz hat mich ergriffen, weil er gut ist, weil ich die Folgen davon berechnen kann (Stein spielt hierin eine Rolle). Er ist gegründet auf Billigkeit, Mässigung, Bedürfnisse der Zeit. ... Welche Stimmung dieses Ereignis im Lande verbrei­tet, werden wir bald hören. Die Nachbarn mögen sich in Acht nehmen, sie müssen folgen, sie mögen wollen oder nicht. So Baden, so Bayern, Preußen, welches nicht recht daran will, ebenso. Und wir, die wir, wenn mit Klugheit Mitteilungen, Band 16 14

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