Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich

166 Berthold Sutter und Neuordnung Europas erworben und an die Stelle des Grafen Stadion war bereits 1809 Metternich getreten, der glaubte, den Königen von Napoleons Gnaden, vor allem Bayern und Württemberg, noch vor Ausgang des Krieges weitgehende Zugeständnisse machen zu müssen. Aber nicht nur die Geschichte Österreichs, auch das Schicksal zweier kaiserlicher Prinzen wurde durch die Niederlage von Wagram für immer bestimmt. Erzherzog Karl, wohl der bedeutendste unter den Söhnen Kaiser Leopolds II., hat nach Wagram ein Leben lang vergeblich darauf gewartet, zur Durchführung der Reorganisation des Heeres wieder als Generalissimus und Kriegsminister berufen zu werden, und als er 1836 die Übertragung dieser Aufgabe begehrte, wußten Fürst Metternich und Graf Kolowrat dies zu verhindern. Wie Erzherzog Karl, so wurde auch sein um elf Jahre jüngerer Bruder Erzherzog Johann Baptist, zu politischer Einflußlosigkeit verurteilt2). Es wurde ihm bis zum Revolutionsjahr 1848 kein wichtiges Staatsamt mehr übertragen, obwohl ein solches zu erhalten sein stets wiederholter, sehn­lichster Wunsch gewesen wäre3). Die ältere, steirische Geschichtsschrei­bung hat nun insoferne sein Bild verzeichnet, als sie das Hauptgewicht fast ausschließlich auf des Prinzen segensreiche Tätigkeit in der Steier­mark verlegte, so daß bei vielen der Eindruck entstand, der Erzherzog habe sich nach 1809 gänzlich von Wien abgewandt; seine wissenschaft­lichen Bemühungen sowie die Gründung des Joanneums 1811 resultierten aus dem Umstande, daß ihm im Gesamtstaate zu wirken unmöglich gemacht wurde. Aber gerade dieses Bild ist heute nicht mehr zu vertreten. Er hat zu allen Zeiten seines Lebens am kaiserlichen Hofe in Wien, in dieser Stadt, für die er so harte Worte fand, im Interesse der Gesamtmonarchie 2) An zusammenfassender neuerer Literatur über Erzherzog Johann vgl. in erster Linie V. Theiß: Erzherzog Johann, der steirische Prinz. Graz 1950. — Ders.: Leben und Wirken Erzherzog Johanns. Graz 1960 ff. (For­schungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark. 17.) (Bisher 2 Lie­ferungen erschienen.) — H. Wiesflecker: Erzherzog Johann. Ein Leben für die Steiermark. Graz 1959. 3) Vgl. dazu vor allem Johann, Erzherzog von Österreich: Tagehuchauf­zeichnungen, von seinem Aufenthalt im Kurorte Rohitsch-Sauerbrunn ... 1810, 1811 und 1812. Hrsg. v. A. S c h 1 o s s a r. Graz 1912, S. 17 f; 80 u. a. — Am 27. Dezember 1817 schrieb er bitter: „Aber dies ist gewiss, daß man mich nie zu etwas wird kommen lassen, weil man mich fürchtet — und warum fürch­tet man mich? Dass ich redlich vorgehe, schwarz schwarz, weiß weiß nennen werde, daß ich Gott, meinen Kaiser und meine Pflicht vor Augen gerade durch­fahren und nichts dulden werde, was nicht recht ist — und daß man weiß, ich kenne die Gebrechen, die Mängel, die Einseitigkeiten und daß ich weiß, wie diesem zu helfen sey, endlich, daß ich nicht der Mann sey, wenn man mir etwas anvertraut, die Hände in den Schoss zu legen und maschinenmäßig alles fort­zuführen.“ — Die ganze lebenslange Enttäuschung, unter der Erzherzog Johann litt, offenbart sich, wenn er noch am 12. Mai 1850 als 68jähriger schrieb, er dränge sich nicht auf, aber wenn der Kaiser seine Dienste brauchen würde, so würde er sich ihm nicht verwehren.

Next

/
Thumbnails
Contents