Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 15. (1962)

LHOTSKY, Alphons: Das Ende des Josephinismus. Epiloegomena zu Hans Lentzes Werk über die Reformen des Ministers Grafen Thun

532 Literaturberichte Wien 1365) und zwei junge Akademien (1776 bzw. 1847). Auch in Preußen war man anfänglich derselben Ansicht wie in Österreich, daß die Uni­versität für den Staat, die Akademie für die Wissenschaft zu sorgen habe — schon Friedrich Schleiermacher hat sich dazu bekannt, und man betonte mit Recht, daß die Universitätslehrer von der Regierung zu ernennen seien, wogegen die Akademiker durch Wahl ergänzt würden. Allein bald hat Wilhelm v. Humboldt mit seiner Denkschrift „Über die innere und äußere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin“ eine sehr folgenschwere, das Geistesleben Deutschlands und später auch Österreichs in neue Bahnen lenkende Standpunktänderung herbeigeführt, indem er der Universität auch die Forschung aufbürdete30). Sie sollte nicht mehr bloß eine „höhere Schulklasse“ sein, in der man es mit „fertigen und abgemachten Kenntnissen zu tun hat“, sondern der Wissenschaft unmittelbar dienen; der Professor müsse nun selbst auch Forscher sein, der Student aber habe daran teilzunehmen — nicht mehr bloß rezeptiv zu lernen, sondern aktiv an der Wahrheitssuche mitzuwirken 31). Diese Neuerung hatte durchschlagenden Erfolg; sie blieb keineswegs auf protestantisch-norddeutsche Universitäten beschränkt, sie wurde auch in Bayern übernommen und erhob die Hohe Schule Landshut-Münchens bald weit über den Rang einer bayerischen Landesanstalt. Nur in Österreich verhielt man sich dagegen ablehnend, und dies hatte nach wenigen Jahren den unangenehmen Effekt, daß Deutsche, wenn sie nach Prag oder Wien kamen, das hiesige Universitätsleben kläglich und rückständig empfanden, was man ihnen durchaus nicht verdenken kann. Weniger anerkennenswert ist freilich die darauf gegründete, u. a. schon von Hegel32) vorgespro­chene Generalisierung dieses Urteils im Sinne einer Disqualifikation des intellektuellen Lebens in den österreichischen Ländern überhaupt33). Sie beruhte vor allem auf der Nichtbeachtung der außerhalb der Universitäts­kreise geleisteten wissenschaftlichen Arbeit: im Wiener Naturalien- und Münzkabinett, in der Hofbibliothek, im Haus-, Hof- und Staatsarchiv usw.34) — die Akademie war noch zu jung, als daß sie die Augen schon hätte auf sich lenken können, obwohl die 1847/48 gefaßten Arbeitsvorhaben bedeutende Aktivität ahnen ließen. Dazu kam, daß nicht nur die durch 30) Max Lenz, Geschichte der Königlich Preußischen Friedrich-Wilhelm- Universität zu Berlin 1 (Halle a. S. 1910), S. 187 f„ Adolf Harnack, Ge­schichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1/2 (Berlin 1900), S. 594. Der Text der Humboldtschen Denkschrift ist jetzt auch zugänglich in: Die Idee der deutschen Universität (Darmstadt 1956), S. 377 f. 31) Dadurch soll sogar der Charakter des Studenten „umgebildet“ werden, ebd. S. 379; vgl. dazu P a u 1 s e n, a. a. 0., S. 258 f. 32) Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, 4. Teil, 3. Abschnitt, 2. Kap. 33) Allerdings hatte schon Friedrich d. Gr. Österreich mit Westfalen und Bayern zu den dümmsten Ländern gezählt; siehe P a u 1 s e n, a. a. 0., S. 126. 34) Siehe einstweilen L h o t s k y, Österreichische Historiographie, a. a. O., S. 139 ff., sowie die Aufsatzfolge von Leopold Joseph Fitzinger, Geschichte des kais. königl. Hof-Naturalien-Cabinetes in Wien (Sitzungsberichte der Mathem.-naturwiss. Classe der Wiener Akademie der Wissenschaften 21, 57, 58, 81 und 82).

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