Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 15. (1962)
SILAGI, Denis: Aktenstücke zur Geschichte des Ignaz von Martinovics
Aktenstücke zur Geschichte des Ignaz von Martinovics 247 Die Zahl der madjarischen Publikationen über die ungarischen Jakobiner und deren Oberhaupt Ignaz von Martinovics ist seit je hoch gewesen 4), aber auch in Ungarn hat sich das Interesse für die Angelegenheit seit 1945 vertieft, da das heute über das Land herrschende Regime sich auf der Suche nach geschichtlichen Vorläufern und Ahnen gerade dem Martinovics und seiner Verschwörung mit besonderen Erwartungen zugewandt hat6). Diesem Umstand ist wohl auch die Verwirklichung der von Koloman Benda veranstalteten großangelegten Quellenpublikation „Schriften der ungarischen Jakobiner“ 6) — eine insgesamt hervorragende Leistung und ein wichtiger Beitrag zur voraussetzungslos wissenschaftlichen Erforschung des Gegenstandes — zu verdanken. Trotz der vergleichsweise großen Zahl der einschlägigen madjarischen Studien hat sich die Forschung kein überzeugendes abschließendes Urteil über Martinovics erarbeiten können. Der 1755 zu Pest Geborene — erst Franziskanermönch, sodann 1783—1791 Professor der Physik an der Universität Lemberg, danach Mitarbeiter des merkwürdigen geheimen Dienstes Kaiser Leopolds II. und später Informator der franziszeischen politischen Polizei — wurde zuletzt nach einem unter strenger Geheimhaltung durchgeführten langwierigen Prozeß 1795 in Ofen enthauptet. Im Schrifttum wird er abwechselnd als Idealist und als Hochstapler, als Bebell und als Spion der Polizei, als Gelehrter und als Charlatan, neuerlich (1951) auch als ein ehrlicher Suchender geschildert, der sich, vom französischen Vorbild mitgerissen, aus einem unwürdigen Höfling zu einem revolutionären Märtyrer geläutert habe 7). Das Urteil der Autoren schwankt auch im Hinblick auf seine historische Rolle. Elemér Mályusz 8) macht ihn nachgerade für die Entstehung des franziszeischen Systems verantwortlich (1926), während Koloman Arbeiten von Stern, Sugar und d’E szláry verraten mangelnden Zugang nicht nur zu den Quellen, sondern auch zu wichtigen Teilen der Sekundärliteratur. 4) Vgl. vor allem die Hinweise bei Dominik Kosáry, Bevezetés a magyar történelem forrásaiba és irodalmába. [Einführung in die Quellen und das Schrifttum der ungarischen Geschichte.] II und III. Budapest 1954—1958, passim. 6) Eine „Sprachregeung“ für Historiker bei Stefan Kató, Első köztársasági mozgalmunk a magyar történetírásban [Unsere erste republikanische Bewegung in der ungarischen Geschichtsschreibung.] In: Századok. Budapest 1950 (LXXXIII), 146 ff. «) Koloman Benda (Hrsg.), A magyar jakobinusok iratai. [Schriften der ungarischen Jakobiner.] 3 Bände. Budapest 1952—1957. 7) Stefan Kató, A magyar jakobinus mozgalom néhány kérdéséről. [Über einige Fragen der ungarischen Jakobiner-Bewegung.] In: Századok. Budapest 1951 (LXXXIV), 229 f. s) Elemér Mályusz (Hrsg.), Sándor Lipót főherceg nádor iratai. [Schriften des Erzherzog-Palatins Alexander Leopold.] Budapest 1926, Einleitung, bes. 201 ff.