Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 15. (1962)

JUHÁSZ, Koloman: Kirchliche Zustände im Banat in der Mitte des 18. Jahrhunderts

Kirchliche Zustände im Banat in der Mitte des 18. Jahrhunderts 207 II. Diözesanregierung. 1. Wie ein einzelner Tautropfen, selbst auf armseligem, verwittertem Strohdache, die ganze Umwelt widerspiegelt, so bringt das im Wiener Hofkammerarchiv zwischen abgegriffenen Scharteken sich verbergende, anspruchslose Aktenbündel, welches die Besetzung einer Pfarre während der Regierungszeit Maria Theresiens entstehen ließ, die ganzen wirklichen Zustände des damaligen Gemeinwesens zur klaren Anschauung. Das Bingen der Bewerber um die unbesetzte Pfarrstelle, der einerseits vom finanziellen, anderseits kirchlich-politischen Standpunkte geführte, durch die vorge­steckten Ziele gekennzeichnete Kampf des Bischofs und der Temesvarer Administration, die sich gegenseitig ignorierten, die Behandlungsweise der Streitfragen durch den Hofkriegsrat und die Hofkammer, mit Berück­sichtigung der gegebenen Verhältnisse die Widersprüche zu meistern, und schließlich die mit wohlwollender Bestimmtheit getroffene weise Entschei­dung der Kaiserin-Königin, geben ein so verläßliches und wahrhaftes Bild der Verhältnisse des Banats, daß daneben die unbestimmten Übertreibungen der Chronisten, das Nacherzählen des Geredes der Zeitgenossen und die ver­stümmelten mündlichen Überlieferungen bedeutungslos sind. Der histori­sche Hintergrund aber ist es, der durch Schattengebung die mannigfaltigen Lichteffekte und Farbenkontraste verstärkt, den Personen Relief, dem Bilde Perspektive und Charakter gibt. Die mühsame und harte Arbeit der Kolonie, den während der Türken­zeit in dürre Wüsten verwandelten Grund und Boden der Kultur wieder­zugewinnen, ist beendet. Der gerodete und fruchtbar gemachte Boden erhebt den Ansiedler zum selbständigen Wirte, und dieser knüpft sich an die schwer erworbene und deshalb wert und teuer gewordene Scholle mit dem Bewußtsein, sie nur notgedrungen aufzugeben. Alles was er herstellt, wird auf die Dauer berechnet. Hand in Hand mit diesem Bestreben schritt auch der Bischof zum Aufbau seiner Diözese: er war bestrebt, diese unter ein sicheres Dach zu bringen und die während der Türkenherrschaft ver­schwundenen kirchlichen Einrichtungen nach tief und gründlich über­legtem Plane so neu zu errichten, daß sie zugleich den Charakter der Festigkeit und Stetigkeit annahmen. Den Oberhirtenstuhl des heiligen Gerhards nahm der aus dem Franzis­kanerorden zur Bischofswürde erhobene Nikolaus Stanislavich, früher Bischof von Nikopolis, ein. Mit tatkräftiger, jedoch taktvoller Hand bemühte er sich um die Restaurierung seiner Diözese. Behufs erfolgreicher Lösung der Aufgabe wandte er seine ganze Aufmerksamkeit und Sorgfalt auf die Schaffung der kirchlichen Verwaltungsorgane, die Dekanate. Die ur­sprünglichen sieben Erzdekanate, welche die gewöhnlichen Organe der Diözesanverwaltung waren und von welchen fünf auf das Temesvarer Banat fielen, bestanden bis zum Einbruch der Türken in ununterbrochener

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