Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 15. (1962)
KÁLLAY, István: Zur Verwaltungsgeschichte der freien königlichen ungarischen Städte im 17. und 18. Jahrhundert
Verwaltungsgeschichte der freien königl.-ungar. Städte im 17. und 18. Jhdt. 193 Kandidaten bei Strafe verpflichten, das Amt anzunehmen. Im Falle einer Ablehnung wurden sie bestraft64). Der Richter konnte nicht von der Stadt oder dem Rat selbst, sondern nur von der Hofkammer suspendiert werden. In Stuhlweißenburg wurde der Stadtrichter im Jahre 1753 von dem Stadtnotar und den Ratsmitgliedern beschuldigt, die Bürger terrorisiert, die Stadt mit der Kammerkom- mission bedroht und die Parteien bestochen zu haben. Die Ungarische Hofkammer entsandte einen Kommissär in die Stadt, um die Beschwerden zu untersuchen. Die Untersuchungen beziehen sich nicht bloß auf die Beschwerden, sondern auch auf die Stadtakten, Protokolle und Geschäftsführung. Fand der Kommissär den Richter nur in einigen Sachen schuldig, beließ er ihn in seinem Amt. Der Kommissär betonte, daß weder der Rat, noch eine Gruppe der Räte das Recht zur Suspendierung des Stadtrichters hat65 66 *). Der einzige, von dem man unbedingte Fachbildung verlangte, war der Stadtnotar (Stadtschreiber). Er mußte rechtskundig sein, die Landesgesetze und die Rechtsgewohnheiten oder Statuten der Stadt gut kennen, und lateinische und deutsche Sprachkenntnisse aufweisen, je nach der Muttersprache der Stadtbevölkerung. Als Fachmann hatte er einen großen Einfluß auf die Stadtverwaltung und Geschäftsführung. Infolgedessen kam es sehr oft vor, daß manche Notare gleichzeitig einen Senatorposten an sich zu reißen versuchten. Nach der Verordnung der Ungarischen Hofkammer war ihre Stellung im Magistrat nur informierenden und antragenden Charakters68). Die Ungarische Hofkammer war auch dagegen, daß der Notar in der Stadtverwaltung gleichzeitig ein zweites Amt bekleide. Dies war nur dann erlaubt, wenn er seine zweite Funktion durch eine Wahl bekam und keine andere geeignete Person hiefür vorhanden war. Es ereignete sich manchmal, daß der Stadtnotar zugleich Stadtrichter war (z. B. in Altsohl und Pukkanz 1756). Nach der Vorschrift war die Notarfunktion niedriger als jene des Rates. Seine Aufgabe bestand anfangs des 18. Jahrhunderts in der Führung der Sitzungs- und Gerichtsprotokolle, in der Ausfertigung der Statuten und Stadtakten und in der Betreuung des Stadtarchivs. Später, als die Stadtsachen sich vermehrten, übte er nur Aufsicht über diese Angelegenheiten. Nach Bedarf wurden in den Städten Stadtkanzleien eingerichtet und deren Angestellte führten die Protokollierungen, Ausfertigungen usw. durch. Die Notare wurden vom Stadtrat angestellt und genossen auf Grund ihrer Fachbildung meistens das höchste Gehalt in der Stadtverwaltung. 64) Besoldungen, B. III. S. 533. 65) Hofkammerarchiv. Ung. Camerale. Civitatensia. Fasz. 1. 1753. 5. IV. 1754. 14. II. 2. V. Stadtarchiv Stuhlweißenbuirg, Ratsprotokoll 1753. S. 56. Acta politica et juridica. Fasz. 1753. Nr. 24, 26, 33, 35, 36, 48, 49, 56. 66) Hofkammerarchiv. Ung. Camerale. Civitatensia. Fasz. 3. 1756. 5. I. Mitteilungen, Band 15 13