Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag

WOHLGEMUTH-KOTASEK, Edith: Erzherzog Johann in seinen Briefen an Marie Louise

Erzherzog Johann in seinen Briefen an Marie Louise 535 dies ohnedieß kurze, mühsame Leben bitter werden? Glauben Sie mir, Gott, der uns hieher gesetzet, will nicht unser Unglück ... und für jedes Leiden, jeden Schmerz hat er Freude uns gegeben; wenn wir die Sache kalt prüfen, so werden wir es so finden. Uns Menschen bleibet immer ein Wunsch un­erfüllt. Wären wir dann glücklich, wenn uns nichts mehr zu wünschen übrig bliebe? unser Wirken, Handeln, die Freuden, das, was wir wünschen, doch als erreichbar zu sehen, alles würde verschwinden und dann (!) wäre unser unglükseeligster Zustand. Alles, was ich Ihnen darüber sagen kann, wissen Sie ohnedieß ...“ 10 *). Als Marie Louise noch um Parma zu kämpfen hatte, sah Johann sie nur mit größter Sorge beinahe schutzlos dem politischen Intrigenspiel aus­gesetzt, das ihm in der Seele zuwider war und immer zuwider blieb. Wien, die Geborgenheit im Schoße der Familie, erschien ihm noch als sicherster Aufenthaltsort für sie und es muß ihn vor allem die Vorstellung besorgt gemacht haben, sie könnte, sobald sie italienischen Boden betreten hätte, abermals fern der Heimat, Gegenstand politischer Spekulationen werden. Darum wollte er auch nicht einsehen, warum sie allzu früh nach Parma gehen sollte — aber er war nicht informiert genug, um die Lage wirklich zu überblicken. „Wenn der Kaiser zu kommen befiehlt, so wird es sicher nur dann seyn, wenn dieses Land Ihnen sicher gehört, sonst wird er gewiß nicht es be­fehlen; endlich werden Sie das Land selbst verwalten wollen, /:dann müßen Sie freilich dort bleiben:/ oder wird man es verwalten lassen /:was machen Sie dann dort:/. Dieß sind Dinge, die ich nicht weiß und worüber ich nicht urtheilen kann. Sie sehen meine Aufrichtigkeit, die ich haben darf, ohne gegen meine unbegränzte Anhänglichkeit gegen meinen Kaiser und Herrn zu fehlen“ »»). Johann, der selbst Grund genug gehabt hätte, damals und auch später noch dem Kaiser kritischer oder reservierter gegenüberzustehen, und dem es nicht verborgen sein konnte, daß derselbe mit seiner charakterlich nicht allzu widerstandsfähigen Tochter unter Hintansetzung menschlicher Rück­sichten oder gar Pflichten so viel mehr als Politiker, denn als zärtlicher Vater verfuhr, hat Marie Louise nie einen andern Rat gegeben, als sich in allen Lebenslagen an diesen ihren Vater zu halten, „sonst an niemand, selbst an solche [nicht], die seinen Willen auslegen möchten“ 12). Ein halbes Jahr später zeigte sich dann auch Johann über die Lösung der Probleme, die Marie Louisens politische Versorgung heraufbeschworen hatte, recht frohgemut und er beglückwünschte sie, sich „auf eigenem 10) Nr. 25 vom 1. 2. 1819. Bei der wörtlichen Wiedergabe von Briefstellen wird nur Groß-, Kleinschreibung und Interpunktion dem modernen Gebrauch an­gepaßt, ansonsten die von Erzherzog Johann verwendete Orthographie beibe­halten. i») Nr. 15 vom 29. 1. 1816. 12) Nr. 17 vom 7. 3. 1816.

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