Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag

BENNA, Anna Hedwig: Ein römischer Königswahlplan Karls III. von Spanien (1708–1710)

4 Anna Hedwig Benna zukehren, sondern blieb bis zum Herbst abwartend in Spanien20). Ange­sichts dieser Haltung Karls III. wäre Frage zu stellen, wie viel die römi­sche Krone für ihn bedeutete. Wäre nicht bekannt, daß Karl III. schon vor einigen Jahren sich bemüht hatte, noch zu Lebzeiten Josefs I. seine Wahl zum römischen König zu erreichen und erst einige Monate vor dem Tode des Kaisers diesen mit Umsicht, Vorsicht und Energie verfochtenen Plan auf gegeben hatte21), müßte man annehmen, die römische Krone sei Karl weniger wert gewesen als die spanische. Man warf ihm jedenfalls nach dem Scheitern seines kurzlebigen spanischen Königtums vor, er habe darauf zu viel Kraft und Energie vergeudet und vor allem zu einem Zeitpunkt, als die Tage seiner Herrschaft über den kleinen, ihm noch verbliebenen Teil des Landes gezählt waren22 *). Mißfallen erregten auch die lebenden Zeugen seines spanischen Königtums, die vielen Emigranten, welche die Wiener Behörden, die zur Verwaltung der nach dem Ende des Erbfolgekrieges unter österreichischer Herrschaft verbliebenen ehemaligen spanischen Besitzun­gen in Italien errichtet worden waren, bevölkerten. Tatsache ist jedenfalls, daß Karl den Anspruch nie aufgab und das spanische Element in seiner Umgebung begünstigte28). Viele Vermerke in seinen Tagebüchern können auch als Beweis für diese persönliche Bindung an das Land, das er in den wenigen Jahren seiner Herrschaft schätzen und lieben gelernt hatte, gel­ten24). Und doch fühlte er sich, wie er in einem Schreiben an seinen Ver­trauten in Wien, den böhmischen Hofkanzler Wratislaw, ausführte, dem deutschen Sprach- und Kulturkreis, dem er entsprungen war, mehr ver­bunden25). Von seiner künftigen Herrschaft hatte, wie er weiter ver­sicherte, die deutsche Nation nichts zu befürchten, da er ihr ja angehörte. Er hoffe aber auch, daß sich die anderen Nationen nicht über ihn zu be­klagen hätten. Diese Äußerung Karls III. stammt aus einer Zeit, in der man in Wien die Eroberung Spaniens durch Karl für weniger wichtig hielt als den Erwerb der spanischen Gebiete Italiens26 *). Und dies vor allem aus dem Grund, weil der Kaiser noch ohne männlichen Nachfolger war. In Ver­so) Wratislaw an Karl III. 1711 April 22, Mai 27, Juni 24, Arneth, AfÖG. 16, 150, 166, 183, 189. Karl III. an Wratislaw, 1711 Mai 9, 18, Juni 25, Juli 31, Arneth, AfÖG. 16, 154, 157, 185, 195. 21) Vgl. unten S. 19. 22) Ziekursch a. a. O., S. 10. 23) H. Benedikt, Das Königreich Neapel unter Kaiser Karl VI. (1927) S. 224—245, P. Gasser, Das spanische Königtum Karls VI. in Wien, MOESTA. 6 (1953) S. 191 f., 196. A. Lhotsky, Kaiser Karl VI. und sein Hof im Jahre 1712/13, MIOEG. 66 (1958). S. 65 f. 24) O. Redlich, Die Tagebücher Kaiser Karls VI., Festgabe f. H. v. Srbik (1938) S. 147, 148. 25) Karl III. an Wratislaw, 1706 Dezember 15/16, Arneth, AfÖG. 16, S. 31. Vgl. dazu die Belege für den Wienerischen Ton Karls VI. bei H. L. Mikoletzky, Hofreisen unter Kaiser Karl VI., MIOEG 60 (1952) S. 270 Anm. 22. 26) Wratislaw an Karl III., 1706 Jänner 26, Familienkorrespondenz A Kart. 18.

Next

/
Thumbnails
Contents