Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 13. (1960)

JÄGER-SUNSTENAU, Hanns: Über das Archiv der Stadt Klosterneuburg

516 Archivberichte recht kurios. Da heißt es zum Beispiel 1873: „Species facti; taubstummer Mann, 1679“ über eine Meldung des Gendarmerie-Postens. Wer würde daran denken, die Niederschrift über einen Taubstummen unter „S“ zu suchen? Unter „G“ (Gendarmerie), „T“ (taubstumm) oder „U“ (Unbe­kannter) findet sich nämlich kein Hinweis. Auch die zu Beginn unseres Jahrhunderts einsetzenden Bemühungen des Statthalters von Niederösterreich, Grafen Kielmansegg, blieben in Klosterneuburg unberücksichtigt. Erst 1927 wurden dort die von Kiel­mansegg eingeführten Formulare der Einlauf Protokolle mit ihren fünf Zeilen bei jeder Geschäftszahi übernommen18 *) und 1933 durch ein auf drei Zeilen modifiziertes Formular ersetzt. Es gab also offenbar in der Kanzlei wenig Bestrebungen nach praktischen Reformen. Um wieviel we­niger darf man da solche für das ohnehin meistenteils als überflüssig an­gesehene Archiv erwarten. Alle früheren Ordnungsversuche müssen wir heute als unzulänglich bezeichnen und leider haben auch die Bemühungen Hubers, wie gezeigt wurde, keine wirkliche Besserung gebracht, im Gegen­teil, in manchem ein noch unübersichtlicheres Chaos hervorgerufen. Um zu einer brauchbaren Ordnung zu gelangen, standen uns nun im Archiv der Stadt Wien zwei Möglichkeiten offen: einerseits konnten wir hoffen, der Aktenmengen dadurch Herr zu werden, daß wir noch die letzten übriggebliebenen Registraturzusammenhänge zerrissen und eine ganz neue Einteilung nach dem sachlichen Inhalt der Einzelakten, also nach dem so­genannten „Betreff“ schufen. Eine Anregung dazu bot uns die Bearbeitung des steiermärkischen Gemeindearchivs von Rachau aus den Jahren 1846— 1956 la). Während es sich aber dort um durchwegs junge Akten handelt, die in 83 Schubern untergebracht werden konnten, waren hier größere Aktenmengen zu bewältigen und außerdem sollte doch das strenge Pro­venienzprinzip der möglichsten Erhaltung oder Wiederherstellung früherer Registraturordnungen beachtet werden. So entschlossen wir uns zur zweiten Möglichkeit, nämlich die künstlichen Bildungen nach 1850 und unter Huber zugunsten einer Rückordnung in den ursprünglichen Stand wieder auf- zulösen. Es wurden also die Magistratsakten zu ihren Jahrgängen zurückgelegt, wodurch die Indexbände zu den Geschäftsprotokollen wieder ihre ursprüng­liche Funktion als Fundbehelfe übernommen haben. Allerdings mangelte die Zeit, um in sämtlichen Jahrgängen die genaue Nummernfolge wieder herzustellen. Dies wird noch nachzuholen sein. Für die Signierung diente das durch Rudolf Geyer im Archiv der Stadt Wien eingeführte System als Vorbild. Danach wird jede sachlich bzw. pro­venienzmäßig zusammengehörige Reihe der Akten mit einer Hauptzahl 18) Erich Graf Kielmansegg, Geschäftsvereinfachung und Kanzlei­reform bei öffentlichen Ämtern und Behörden, 1906, S. 119. — Dieses auch beim Kriegsgeschädigtenfonds in Gebrauch gewesene Formular beschreibt auch Wil­helm Kraus im Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, 5. 1940, S. 14!:f. ia) Franz Pichler, Das Gemeindearchiv Rachau; Inventarisierung nach dem Einheitsaktenplan; in: Mitteilungen des steiermärkischen Landesarchivs, 3. 1953, S. 46 ff. — Gesamtinventar des steiermärkischen Landesarchivs, 1959, S. 58.

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