Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 13. (1960)

GOLDINGER, Walter: Das ehemalige Adelsarchiv

Österreich 501 Bestreben geltend, für das Adelsarchiv eine junge, voll ausgebildete wissen­schaftliche Kraft zu gewinnen. Seit 1892 war dort Franz Müller tätig, der aber wegen persönlicher Eigenarten 1901 an das Statthaltereiarchiv in Innsbruck versetzt wurde und von dort 1909 an das Landesregierungsarchiv in Salzburg kam53). 1899 trat der Absolvent des Instituts für österreichische Geschichtsforschung Freiherr Oskar von Mitis als Praktikant in das Adelsarchiv ein, doch wechselte er schon nach wenigen Monaten zum Haus-, Hof- und Staatsarchiv über54). Junge, den Erfordernissen der Archivar­ausbildung voll entsprechende Kräfte waren damals nicht leicht zu gewin­nen und noch schwerer im Adelsarchiv mit seiner engen Verflechtung zum rein bürokratischen Betrieb des Ministeriums des Innern zu erhalten. 1905 bekam dort das Institutsmitglied Viktor M e 1 z e r eine Anstellung, doch ist er schon nach einem Jahre, am 26. November 1906, verstorben55). Um die Nachfolge bewarb sich der damals am Statthaltereiarchiv in Innsbruck wirkende Theodor Mayer56), der nachmals eine erfolgreiche Hochschul­karriere einschlug. Zwei Jahre war er am Adelsarchiv tätig, kam dann an das Allgemeine Archiv des Ministeriums des Innern und bekleidete seit 1912 durch 10 Jahre den Posten eines Leiters des Archivs für Nieder­österreich57). Erst 1913 fand sich in der Person des Freiherrn Wolfgang Kotz von Dobrz58), eines Juristen mit rechtshistorischen Neigungen, eine Kraft, deren Affinität zum reinen Verwaltungsdienst durchaus den Vorstellungen und Erwartungen des Ministeriums des Innern entsprach. Die dort herrschende Praxis hat auch in Adelskreisen Widerspruch ge­funden59), jedenfalls war Kotz nach dem Abgang Schornböcks, der Ende 1918 in den Ruhestand trat, der einzige wissenschaftliche Beamte des Adelsarchivs, das er in enger Verklammerung mit juridischen Abteilungen des Bundesministeriums für Inneres bzw. des Bundeskanzleramtes als so­genannte „Alte Gratialregistratur“ über die Klippen der Jahre nach dem ersten Weltkrieg hinwegsteuerte. Ersparungsmaßnahmen führten 1933 dazu, daß das Adelsarchiv dem damaligen Staatsarchiv des Innern und der Justiz angegliedert wurde60), wobei Kotz und seine langjährige Mitarbeiterin Rosa Schaufler in dessen Personalstand übernommen wurden. Bei dieser Gelegenheit wurden ver­schiedene provenienzmäßig den Reichsarchiven zugehörige Stücke an das 53) Geb. Urfahr 1869, f 1924. Stolz, Geschichte und Bestände des staat­lichen Archives zu Innsbruck, 1938, 66. 54) Gesamtinventar d. Wiener Haus-, Hof- u. Staatsarchivs 1, 90 f. 55) Geb. Allentsteig, NÖ, 6. V. 1881. AVA: Präs. d. Min. d. Innern. Mitt. d. Inst. f. österr. Geschichtsf. 28, 1907, 208. 5(i) Geb. Neukirchen, OÖ, 24. VIII. 1883. AVA: Präs. d. Min. d. Innern 2547/1907, 12342/1909. 57) O. Stolz, a. a. O., 69. 58 ) Geb. Wien 30. VI. 1890, f ebd. 13. II. 1957. AVA: Präs. d. Min. d. Innern 10710/1913. Nachruf i. d. Mitt. d. Öst. Staatsarchivs 10, 1957, 549—550. 59) Zeitfragen. Monatsbl. Adler 8, 1919, 206—207. 60) G o 1 d i n g e r, Geschichte d. österr. Archivwesen.s 1957, 52.

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