Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 13. (1960)

GOLDINGER, Walter: Das ehemalige Adelsarchiv

Österreich 491 der Einnahmen des Fiskus, im Gegenteil, eine Verminderung des Erträg­nisses der Taxen, man mußte auf die Unterschiede in der Verfassung der Erblande, Ungarns, Galiziens und der Lombardei Rücksicht nehmen, die eine einheitliche Regelung in Frage stellten, die Kriegsjahre taten ein übriges, daß die Dinge nicht vom Fleck kamen. Nicht übersehen darf man jedoch auch die geistige Einstellung, die die Träger der Staatsgewalt diesen Problemen gegenüber zeigten. Waren es auch meist Männer aus dem Adel, die darüber zu befinden hatten, so fühlten sie sich doch als Vertreter des aufgeklärten Staates, der in seiner Struktur die Funktion des Adels im Grunde negierte, daher die Schaffung eines Heroldsamtes weder als not­wendig noch als nützlich anzusehen vermochte. Man war sich der Folgen der Umwälzungen seit der französischen Revolution durchaus bewußt, die Natur des Adels habe sich wesentlich geändert, seit es kein Lehenswesen, dafür aber stehende Heere gebe, das Gebiet der Heraldik und Genealogie habe sich dadurch außerordentlich verkleinert. Für die Zensur der Wappen sei bereits vorgesorgt, für die Prüfung von Ahnenproben würden der Groß­prior des Malteserordens und das Oberstkämmereramt herangezogen. Ent­weder müßte man die an sich schon beträchtlichen Adelstaxen erhöhen oder es würde eine fühlbare Schmälerung der Einkünfte des Fiskus ein- treten. Dies ist der Tenor eines Gutachtens des Freiherrn von Hentschel, der in einer Person das Amt eines Wappenzensors in der Reichskanzlei und in der österreichischen Hofkanzlei bekleidete. Es erliegt bei einer Korrespon­denz des Hofkanzlers Ugarte mit dem Kabinettsminister Colloredo 16). Auch im Staatsrat wurde der Gegenstand verhandelt, begegnete aber auch dort Bedenken, weil man Zweifel in die Verläßlichkeit Beydaels setzte. An ande­rer Stelle wurde darauf hingewiesen, daß dieser der deutschen Sprache nicht mächtig sei. So fanden die Vorschläge des Wappenkönigs nach 7 Jah­ren durch eine kaiserliche Entschließung eine abschlägige Erledigung17). Damit wurde auch der Möglichkeit der Schaffung eines Adelsarchivs, das im Rahmen einer heraldischen Kammer einen Ansatzpunkt gefunden hätte, fürs erste die Stütze entzogen. Der Gedanke lag aber doch sozusagen in der Luft und drängte immer wieder an die Oberfläche. Gab es doch auch private Sammlungen, die sich als „Adelsarchiv“ bezeichneten, wie jene des Edlen von Schönfeld in Wien, die über ein reichhaltiges Material verfügte, später jedoch in alle Winde zerstreut wurde18). Als sich Schönfeld 1806 um die Stelle eines Wappen­zensors bei der österreichischen Hofkanzlei bewarb, stellte er in Aussicht, ic) Anlaß bot eine neuerliche Eingabe des Wappenkönigs Beydaels, anschei­nend aus dem Beginn des Jahres 1804. AVA: Adelsgeneralia 36, 24390/1808. 17) Ebd. Adelsgeneralia 1/1: Vortrag d. Hofkanzlei v. 9. Juni 1808. 18) Margarete Egger, Die Familie Schönfeld und ihre kulturelle Bedeu­tung für Wien. Wiener phil. Dissert. Nr. 17991, 1951. Rudolf Granichstäd- ten-Czerva, Über das Schönfeld’sche Adelsarchiv in Wien. Zeitschr. Adler 3, 1953—55, 298 f.

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