Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)

KISZLING, Rudolf: Glaubenskämpfe in Albanien um die Jahrhundertwende

432 Rudolf Kiszling fürchtet hatte. Wie der Sekretär der Propagandaabteilung für orientali­schen Ritus dem Grafen Hadik anvertraute, spielten auch bei hochgestell­ten Kirchenfürsten persönliche Motive oft eine größere Rolle als das Wohl der Kirche13). Nun machten auch die türkischen Behörden Schwierigkeiten. Dem k. u. k. Geschäftsträger in Konstantinopel, Gesandten Otto, der beim Groß- vesir in der obigen Angelegenheit intervenierte, erklärte dieser, er habe Angst vor Konflikten mit dem ökumenischen Patriarchen und mit dem russischen Botschafter; auch möchte er vor dem Sultan nicht als „zu öster­reichisch“ erscheinen. Und in Elbasan beschuldigte der Muttessarif den Pater Germanos der Proselitenmacherei, die auch vor Mohammedanern nicht halt mache. Der k. u. k. Vizekonsul in Durazzo führte diese hostile Einstellung des türkischen Ortsgewaltigen auf Bestechung mit griechi­schem und russischem Gelde zurück. Im Frühjahr 1907 fand die ganze Übertrittsbewegung ein völlig uner­wartetes Ende. Da die Spatioten von keiner Seite unterstützt wurden, kehr­ten alle 170 konvertierten Familien unter der Führung ihres neuen Prie­sters, Pater Naum Lulla, in den Schoß der griechisch-orthodoxen Kirche zurück. Wie Vizekonsul Kraus aus Durazzo berichtete, betrug der Beste­chungspreis für jeden Kopf der re-konvertierten Albaner 30 türkische Pfund 14). Der Rückübertritt der Spatioten bedeutete sicherlich eine Einbuße der katholischen Kirche und der österreichisch-ungarischen Monarchie als deren Schutzmacht in Albanien. In kirchlichen Kreisen bezeichnete man den Erzbischof Bianchi als den Schuldtragenden, weil er die Spatioten niemals unterstützt hatte. Man kann aber auch die k. u. k. Vertretungs­behörden, namentlich am Goldenen Horn, von einer gewissen Lauheit nicht freisprechen. Im Vatikan zeigte sich der Kardinalpräfekt der Propaganda aber nicht sehr überrascht und meinte, bei der Wankelmütigkeit der Al­baner in Glaubensfragen sei ein neuerlicher Übertritt zum Katholizismus durchaus denkbar. Ein Jahr nachher, 1908, brach die jungtürkische Revolution aus. Mit ihr begann auf dem Balkan eine neue Epoche mit staatsumwälzenden Ereig­nissen. 13) Gf. Goluchowski an Gf. Hadik, Wien, 26. 9. 1906 und Gf. Hadik an Gf. Goluchowski, Rom, 2. 10. 1906. 14) Vizekonsul Kraus an Frh. v. Aehrenthal, Durazzo, 16. 7. u. 23. 7. 1907.

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