Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)
KISZLING, Rudolf: Glaubenskämpfe in Albanien um die Jahrhundertwende
Glaubenskämpfe in Albanien um die Jahrhundertwende 429 Von den christlichen Albanern bewohnten die Katholiken den Norden des Landes, indes im Süden — durch eine breite, die Mitte Albaniens ausfüllende Zone von Islamiten getrennt — die orthodoxen Skipetaren beheimatet waren. Aber auch im Norden und im Süden bildeten die christlichen Albaner gegenüber den Mohammedanern nur eine Minorität von etwa je 30%. Während für die Katholiken, die im wesentlichen im Stamme der Mirditen vereinigt waren, Österreich die Kosten für Kirche und Schule trug, mußten die griechisch-orthodoxen Albaner des Südens außer der von allen Nichtmohammedanern zu entrichtenden Militärsteuer auch noch für den Lebensunterhalt ihrer meist kinderreichen Popen aufkommen. Dieses finanzielle Moment, vermehrt durch das sich immer stärker entwickelnde albanische Nationalgefühl und durch die Furcht vor dem Vordringen Rußlands, das die orthodoxe Geistlichkeit zwecks Betreibung einer panslawistischen Propaganda fallweise subventionierte, waren die Motive dafür, daß sich in Elbasan und bei dem südöstlich davon lebenden Bergvolk der Spatioten seit den 90er Jahren eine Tendenz zum Übertritt zur griechisch-katholischen Kirche entwickelte. Bei dieser wurde die orthodoxe Liturgie wohl beibehalten, aber die Oberhoheit des Papstes anerkannt. Am 28. März 1900 traten tatsächlich 60 Orthodoxe, geführt vom Archi- mandrit Pater Germanos, zur linierten Kirche über. Für Österreich-Ungarn galt diese Kirche als eine indigene; ihr Schutz war daher für die Donaumonarchie weder aus Verträgen noch aus einer Gepflogenheit abzuleiten, wohl mußte von orthodoxer Seite mit Repressalien gerechnet werden. Dennoch erklärte sich die k. u. k. Regierung zur Übernahme der Konvertiten in ihren Schutz bereit, worauf deren Zahl rasch zunahm. Der k. u. k. Botschafter in Konstantinopel, Freiherr von Calice, machte hiebei aber aufmerksam, daß nun mit der Eifersucht des ökumenischen Patriarchen und wahrscheinlich auch Rußlands zu rechnen sei6). Tatsächlich reiste der russische Konsul von Monastir, Roskowski, unter türkischem Militärschutz nach Elbasan. Er gab vor, mit Zustimmung des Sultans im Aufträge des russischen Zars gekommen zu sein, erzählte, das Land nördlich vom Skumbi werde bald an Montenegro, der Südteil Albaniens an Griechenland und der Osten an Bulgarien fallen, und schließlich versuchte er den Pater Germanos samt seinen Getreuen durch Lockungen und Drohungen umzustimmen. Vergebens; der Russe hatte mit seiner Propagandafahrt einen glatten Mißerfolg erlitten. Gleichzeitig ließ der ökumenische Patriarch durch den griechischen Metropolit von Durazzo, Msr. Prokopius, Maßnahmen treffen, um die Konvertiten von Elbasan zur Rückkehr in den Schoß der rechtgläubigen Kirche zu bewegen. Es war ein Wettlauf der beiden orthodoxen Mächte; jedoch auch der griechische Versuch scheiterte an der Festigkeit des Archimandrits Germanos7). Ende Mai 1900 fuhr endlich auch der römisch-katholische Erzbischof von Durazzo, Bianchi, nach Elbasan. Seiner Reise hatte bis nun der türkische Generalgouverneur von Skutari auf russische und griechisch- orthodoxe Anstiftung hin Schwierigkeiten bereitet. Von Wien hatte der Erzbischof Weisung erhalten, sich keinesfalls in die nationale Bewegung 6) Calice an Gf. Goluchowski, Konstantinopel, Nr. 14 v. 4. 4. 1900. 7) Vizekonsul Kral an Gf. Goluchowski, Monastir, 19. 5. 1900.