Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)
CORETH, Anna: Das Schicksal des k. k. Kabinettsarchivs seit 1945
514 Archivberichte 1. Kl. Dr. Rudolf Neck) anzuregen. Die Errichtung einer derartigen Institution sei zu begrüßen, stehe aber nicht in unmittelbarem sachlichen Zusammenhang mit dem Archivwesen und sei daher von diesem nicht zu übernehmen. 11. Die Besprechung der Grundsätze der Skartierung (Referenten: Landesarchivdirektor Hofrat Univ.-Prof. Dr. Karl Lechner, Generaldirektor Dr. Gebhard Rath) zeigte, daß die vom Österreichischen Staatsarchiv 1952 eingereichten Skartierungsrichtlinien nur für den Bereich des Bundeskanzleramtes und der Zentralstellen gelten, bis jetzt aber noch nicht bestätigt wurden. 12. Abschließend wurden Probleme der Herrschafts-, Stadt- und Universitätsarchive besprochen. Zuletzt wurde beschlossen, an die nächste Konferenz eine eintägige Exkursion anzuschließen. E. W.-F. Das Schicksal des k. k. Kabinettsarchivs seit 1945. Von Anna Coreth (Wien). A. Die Verluste an den Bergungsorten im Jahre 1945. Von allen Beständen des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, deren mehrere durch die Kriegs- und Nachkriegsereignisse Schäden davongetragen haben, sind zweifellos die Akten des Kabinettsarchivs weitaus am schwersten getroffen worden1). Es sind hier Verluste eingetreten, die nicht nur wegen ihres Umfanges schmerzlich sind, sondern vor allem, weil es sich um Archivalien der zentralen Verwaltungsbehörden der Monarchie handelt und zum Großteil um Dinge von solcher Wichtigkeit, daß sie dem Kaiser zur Resolution vorgelegt worden waren. Noch empfindlicher fühlt der Forscher heute diese Verluste im Archiv der Kabinettskanzlei, da in den letzten Jahrzehnten auch andere Archive österreichischer Zentralbehörden aus derselben Epoche, — der zweiten Hälfte des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, — schwere Schäden erlitten hatten; man denke vor allem an die Brandkatastrophe im Justizpalast während der Revolte des Jahres 1927, wobei Teile des Hofkanzleiarchivs, der Akten der Studienhofkommission, der Polizeihofstelle u. a. teilweise vernichtet oder stark beschädigt worden waren. Umso kostbarer sind heute die geretteten Bestände als Quellen zur österreichischen Geschichte jener Zeit und umso gewissenhafter wird der Archivar sich um die Wiederherstellung der in Unordnung gerateten Archivalien bemühen müssen. Die Verluste im Kabinettsarchiv, das ja eine große Anzahl von größeren und kleineren Archivkörpern umfaßt, sind der Intensität und der Art nach verschieden. Es ist dies vor allem dadurch bedingt, daß diese Archivalien an verschiedenen Orten geborgen waren und daher ein mannigfaches Schicksal erlitten, das zwischen restloser Vernichtung 1) Vgl. zu dem Folgenden die Bergungsakten des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, insbesondere das Verzeichnis über die an bestimmten Orten geborgenen Bestände ZI. 253/1944 mit laufenden Ergänzungen.