Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

FELLNER, Fritz: Die Verstimmung zwischen Wilhelm II. und Eduard VII. im Sommer 1905

502 Miszellen lung Kaiser Wilhelms II.festzuhalten1). Goetz versucht in einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Buch von Helfritz festzustellen, wie weit Wil­helm die Außenpolitik seines Landes persönlich beeinflussen und lenken konnte und bekennt sich schließlich zu der Überzeugung, daß es eine der wesentlichsten Voraussetzungen für jede Darstellung des Kaisers wäre, „die Einzelfälle kritisch zu untersuchen; fast alles zeigt sich dann in einem etwas anderen Lichte als eine festgefahrene Überlieferung es schildern möchte“ 2). Er bemerkt weiter, daß es die erste Aufgabe eines Versuches zu einer „wirklichen“ Biographie Wilhelms II. sein müßte, „mit den Legenden aufzuräumen, die inzwischen über die Persönlichkeit des Kai­sers“ entstanden sind3). Vielleicht sollte man dazu ergänzend auch noch fordern, daß es ganz allgemein notwendig sein wird, aus den ausgefahrenen Geleisen auszubrechen, in denen sich die Erforschung der Vorgeschichte des ersten Weltkrieges bisher bewegt hat — in sachlicher wie auch in methodischer Hinsicht. Tatsächlich ist das Problem der persönlichen Verantwortlichkeit der europäischen Herrscher für die Außenpolitik ihrer Länder in dem letzten Dezennium vor dem Ausbruch des Weltkrieges bei weitem noch nicht ge­nügend durchforscht. Trotz der Vielzahl von Büchern und Aufsätzen, die sich mit den deutsch-englischen Beziehungen beschäftigt haben und ob­wohl es bereits genügend Darstellungen über „Die Einkreisungspolitik Eduards VII.“ oder das „Persönliche Regiment Wilhelms II.“ gibt, läßt sich interessanter Weise doch kein Werk feststellen, das das persönliche Verhältnis der beiden, die internationalen Beziehungen der Vorkriegszeit so entscheidend bestimmenden Monarchen mit genügender Kenntnis der Einzelereignisse entsprechend gewürdigt hätte. Dabei ist die persönliche Rivalität der beiden Herrscher, ihr geradezu eifersüchtiger Wettstreit um die Gunst der anderen europäischen Völker, ihr gegenseitiges Mißtrauen und ihre charakterliche Polarität genügend bekannt. Vielleicht allerdings mag es daran liegen, daß die Quellen für diese rein persönlichen Beziehun­gen bisher noch zu ungenügend sind und sicherlich läßt es sich nicht zu­letzt darauf zurückführen, daß die Anordnung der bisher veröffentlichten Quellen in den großen Aktenpublikationen zur Vorgeschichte des ersten Weltkrieges durch die willkürliche Zerreißung der Dokumente nach vor­gefaßten sachlichen Gesichtspunkten die Erforschung anderer als der vorgezeichneten Probleme maßlos erschwert. x) Goetz, Walter: Kaiser Wilhelm II. und die deutsche Geschichtsschrei­bung, In: Historische Zeitschrift 179/1955, S. 21—44; neu abgedruckt in: Goetz, Walter: Historiker in meiner Zeit, Graz 1957, S. 424—451. Es handelt sich um die Besprechung des Buches von Hans Helfritz: Wilhelm II. als Kaiser und König, Zürich 1954. (Die folgenden Zitate beziehen sich auf den Neu­abdruck.) 2) Ebd., S. 450. 3) Ebd., S. 425.

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