Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)
MARX, Julius: Die amtlichen Verbotslisten. Neue Beiträge zur Geschichte der österreichischen Zensur im Vormärz
Die amtlichen Verbotslisten 463 (38 II/2). Ein undatierter Akt des Faszikels 79 des Notenwechsels Staatskanzlei-Polizei läßt sich durch unsere Verzeichnisse ergänzen: Anton Kitter von Perger, Kunstnachrichten. Uiber das Kostüm bei neuen Monumenten (38 VIII/1); es ist jener Artikel, der der Staatskanzlei deshalb in die Quere kam, weil er gegen das antike Kostüm Stellung nahm, das aber gerade wieder für das Franzensdenkmal in Aussicht genommen worden war174). Schriften über Österreich sind nicht selten, sie beschäftigten sich mit Andreas Hofer, Bernhard Bolzano, mit dem Spielberg, mit Prießnitz’ Kuranstalt, zumeist aber mit Reisen in die einzelnen Länder; aus allen sei bloß eine herausgehoben: Mdme la Vicomtesse Lacressoniére, La sainte du Vorarlberg, Parisl838 (38 VIII/1). Ungarisches oder Ungarn Betreffendes ist wenig vorhanden. Verboten wurde Elias Tibiscanus, Die Religionsbeschwerden der Protestanten in Ungarn, wie sie auf dem Reichstage im Jahre 1833 behandelt wurden, Leipzig 1838 (38 VI/1); nicht gestattet wurde dem Kartenfabrikanten R. Pichler die Erzeugung deutscher Karten mit Bildnissen ungarischer Könige und Edler (38 II/2). Breiten Raum nehmen die Werke französischer Schriftsteller ein, vor allem natürlich die Romanschreiber, aber auch historische und politische Werke sind vertreten. Die österreichische Staatsleitung lehnte eben die damalige französische Geistigkeit als unerwünscht ab. Natürlich waren nicht bloß französische Ausgaben verboten oder beschränkt, sondern auch deutsche, italienische oder polnische Übersetzungen. Einmalig ist das Verbot einer Novelle des bekannten Sittenschilderers Eugen Sue in spanischer Sprache (38 II/2). Weniger häufig sind italienische, noch seltener englische Schriften enthalten, und letztere überdies nur vereinzelt in der Ursprache. Bei den slawischen Autoren überwiegen die Polen der Emigration; gegen sie trat die österreichische Zensur mit rücksichtsloser Strenge auf. Genannt sei hier Ad. comte Krosnowski, Almanach historique ou Souvenir de l’Emigration Polonaise. Paris 1837 (38 V/l), da er als Quelle zu biographischen Angaben noch immer verwendbar ist174 175 176). 174) i Marx, Zensur d. Kanzl. Mett., S. 188 f. — Lenau, Savonarola (37 XII/2, damn.). 175) Von Reiseberichten sei Theodor Kune, Briefe über [das Bad] Gastein, Leipzig 1838 (38 VII/1) deshalb angeführt, weil die Liste den Autor nennt, der bei K a y s e r und bei Heinsius bloß mit Theodor K.... bezeichnet ist. Sonst war über diesen Schriftsteller nichts ausfindig zu machen. — Tibiscanus = Tob. Gottfr. Schröer; vgl. A.D.B., 32. Bd., S. 552. — Die Vicomtesse de Noirberne schrieb unter ihrem Mädchennamen La Cressoniére: M. J.-M. Quérard, Les supercheries Littéraires ..., Tom. II/2, Paris 1849; S. 346 f. 176) Eugen Sue (1804—1857). — Krosnowski war, wie seinem eigenen Werke zu entnehmen ist (S. 198 f. und 510), ein verdienter Offizier der polnischen Armee gewesen. — Über den Putsch Louis Napoleons in Straßburg (1836) finden sich zwei Werke, eines davon in deutscher und französischer Sprache 138 1V/2 u. VI/2).