Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)
MARX, Julius: Die amtlichen Verbotslisten. Neue Beiträge zur Geschichte der österreichischen Zensur im Vormärz
460 Julius Marx In den Blickpunkt der Öffentlichkeit trat auch Ungarn und diese Teilnahme verstärkt sich gegen das Ende der Dreißigerjahre immer mehr162). Wenn wir bei der Griechen- und Polembegeisterung neben dem Freiheitsdrang noch reichlich romantische Züge finden, so ist die Vorliebe für die Magyaren sicherlich darin begründet, daß sie sich gegen Wien auflehnten, sonst hätte man ihre Maßlosigkeit, die letztlich ihren Zusammenbruch im Jahre 1918 verschuldete, nicht übersehen können. Wir wollen uns hier nur mit den Schriften aus Ungarn, meist von Politikern, beschäftigen, auch sie wurden gutenteils in Deutschland, manchmal sogar in magyarischer Sprache verlegt. Aus ihnen tritt uns die politische Seite deutlicher entgegen. Verboten wurden Joseph Orosz, „Ungarns gesetzgebender Körper auf dem Reichstage zu Preßburg im Jahre 1830“, 1. u. 2. Theil, Leipzig 1832 (32 XII/2), „Eine Stimme aus Ungarn“, Hamburg 1832 (32 IX/2), die Reformschrift des „größten Ungars“ Stephan Graf Széchenyi „Stadium“, Leipzig 1833 (33 XII/1), ebenso wie das Werk des radikalen Nikolaus Baron Wessélenyi „Über Fehlurteile. Geschrieben 1831“, das 1833 in Bukarest hierauskam (35 I/l)163) und „Umrisse einer möglichen Reform in Ungarn, von A...“, II. Heft, London 1833 (33 III/l). Dagegen erhielt „Durch welche Mittel läßt sich die Verbreitung der magyarischen Sprache unter den Einwohnern am sichersten erzielen?“, Basel 1834 (34 I/l) erga sChedam. Am härtesten angepackt wurde das 1834 bei Otto Wigand in Leipzig verlegte „Garasos. Tár“ / Groschenmagazin / mit / [damnatur] Nr. 1 und alle Folgenden. / Diese ganz seltene Form der Erledigung 164) entspricht der sonst bei Zeitungen usw. üblichen Streichung aus dem Posttarif. Fassen wir die gewonnenen Ergebnisse des Zeitraumes 1830 bis Ende 1835 zusammen, so sehen wir, daß die Zensur und ihre Ausübung völlig auf der uns schon bekannten Linie liegen. Gegenüber dem vorgängigen Abschnitt ist die Zunahme der politischen Literatur hervorstechend, womit die nun häufigere Verwendung des „Außer-Kurs-setzens“ zusammenhängt. Damit haben wir die Überleitung zur bereits behandelten Zeit gegeben. 162) E. Castle, Heimaterinnerungen bei Lenau; Grillp.-Jahrb. X. (1900); S. 90 f. — Über die ungar. Verhältnisse: Srbik, a. a. 0., I, S. 465 ff.; II, S. 31 ff., und Schiitter, a. a. 0., III, Ungarn; vgl. auch MIÖG., 52. Bd. (1938), S. 70 (Roloff). 163) Orosz (1790—1851) gab in Preßburg das Regierungsblatt „Himök“ heraus: Farkas, a. a. 0., S. 23; Schiitter, a. a. 0., Ill, S. 122, Anm. 148, und Szinney Jószef, Magyar írók élete es Munkái, IX. Bd. Budapest 1903, Spalte 1397. — Wessélenyi: S p r i n g e r, a. a. 0., I, S. 481 ff.; (hier S. 476, Fußnote zu Széchenyis „Stadium“). — Srbik, a. a. 0„ I, S. 471. — Alle Werke erschienen in deutscher Sprache, magyarisch aber Széchenyi István Gróf, Stadium. Lipcsében 1833, I. Rész, und Wessélenyi Miklós, Balitéletekröl, Irta 1831-ben. Nyomatott Bukarestben 1833. — G e r a n d o, a. a. O., S. 153 f., 176, 183 ff., 279 ff., 370 ff. — J. Szekfü, Der Staat Ungarn, Stuttgart-Berlin 1918; S. 150 ff., 162, 179; 173 f. 164) Marx, a. a. 0., S. 157 (Brennglas u. Gutzkow.).