Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

JUHÁSZ, Koloman: Jesuiten im Banat (1718–1773). Ein Beitrag zur Kulturgeschichte des Temesvarer Banats

212 Koloman Juhász Was für eine Lehranstalt war nun die Temesvarer Lateinische Schule? Diese Frage kann nur durch Kenntnis der Jesuitenschulen im allgemeinen beantwortet werden. Bei der Überprüfung des Erziehungs­systems der Jesuiten kann eine Fülle von Schultypen wahrgenommen werden. Es bestand ein großer Unterschied zwischen den einzelnen Gymnasien. Nach der Ratio Studiorum hat das Gymnasium gewöhnlich fünf Klassen: Principia, Grammatica, Syntaxis, Poesis, und Rhetorik. Aber in Ungarn hatte die Principia als unterste Klasse viele Schüler, deshalb gibt es außer der Principia noch eine Stufe: die Parva. Also abweichend von den allgemeinen Regeln finden wir in den ungarischen Jesuiten-Gymnasien sechs Klassen. Diese Einteilung übernahm auch die Temesvarer Schule. Die einzelnen Klassen kommen unter folgenden Namen vor: I. Klasse, classis elementáris, Parvisten, oder Elementar­schüler (parvistae maiores, minores, coniugistae, comparatistae, decli- nistae, legentes, littera colligentes, minimistae, elementares, abscedarii, alphabetarii) ; Vorbereitungsklasse zum Gymnasium. Wie aus den ver­schiedenen Benennungen hervorgeht, ersetzt diese Stufe die Elementar­schule. — II. Klasse, classis infima grammaticae, d. h. untere Grammatik- Klasse, also die erste Klasse des Gymnasiums bzw. des Klein- oder Unter- Gymnasiums. Ihre Schüler hießen Principisten. — III. Klasse, classis media grammaticae oder bloß Grammatica, d. h. mittlere Grammatik-Klasse. Die Schüler der zweiten Gymnasialklasse sind Grammatisten (Gramma- tici). — IV. Klasse, classis suprema grammaticae oder syntaxis, d. h. obere Grammatik-Klasse oder dritte Unter-(Klein-) Gymnasial-Klasse. Ihre Schüler Syntaxisten (syntaxistae). — V. Klasse, poesis oder huma­nitás, d. h. Klasse der klassischen Literatur-Studien, vom Standpunkte der Schuleinteilung die erste Klasse des Obergymnasiums. Ihre Schüler Poeten (poetae). — VI. Klasse, retorica (eloquentia), d. h. die zweite Klasse der klassischen Literatur-Studien und des Obergymnasiums und die oberste Klasse des ganzen Gymnasiums. Ihre Schüler Rhetoren (rhetores). Neben dem aus fünf Klassen bestehenden Gymnasium stellte die Ratio Studiorum auch ein aus vier Klassen bestehendes Gymnasium auf, in welchem entweder die Rhetorik fehlt, oder, was häufiger vorkam, die zwei mittleren Klassen, die Syntaxis und die Grammatik, wurden zusammengezogen. Es war auch ein Gymnasium mit drei Klassen möglich. In diesem sind zwei und zwei Klassen zusammengezogen: Parva mit Principia, ferner Grammatik mit Syntaxis, und Poesis mit Rhetorik. Schließlich war auch ein Gymnasium mit zwei Klassen mög­lich. In diesem wird die Poetik mit Syntaxis, dann die Grammatik mit Principia und Parva zusammengezogen. In Ungarn und auch im Banat war es gebräuchlich, daß man in diesen Schulen Rhetorik und Poesis nicht unterrichtete, sondern nur die vier unteren Klassen, und zwar

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