Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)

NECK, Rudolf: Österreich und die Osmanen. Stand und Probleme der historischen Forschung

442 Literaturberichte das Buch Vaughans50), das vom ersten Vordringen der Osmanen auf den eui'opäischen Kontinent bis zum Frieden von Karlowitz, dem Ende der türkischen Expansion, alle Probleme der osmanisch-europäischen Allianzen untersucht und auch die damit zusammenhängenden Fragen wie Kolla­boration und Widerstand der Balkanvölker, das Verhältnis des Islams zur Reformation und vor allem auch die Beziehungen der europäischen Gegner der Türkei zu deren asiatischen Feinden behandelt. Obwohl die Verfasserin ihr Unternehmen mit Recht als ein Wagnis bezeichnet, das nur von einem internationalen Team wissenschaftlich befriedigend zu lösen gewesen wäre, ist ihr der Überblick trotz mancher Irrtümer gut gelungen. Auch Braudel hat in seinem ideenreichen Werk über die Mittelmeer­welt die Türkei in die europäischen maritimen und landstrategischen Zu­sammenhänge hineingestellt51). Ebenso hat Dehio in seiner Studie über das Staatensystem, in der es ihm bewußt um die Erweiterung des über­lieferten europäischen Geschichtsbildes zu einem globalen ging, besonders für das 16. Jahrhundert die Bedeutung des osmanischen Reiches richtig eingeschätzt52). Der zusammenfassende Überblick über die Geschichte der islamischen Völker und Staaten von Brockelmann ist während des letzten Krieges in zweiter Auflage erschienen53). So brauchbar er zur ersten Informierung immer bleiben wird, so wenig bringt er neue Gesichtspunkte. Überhaupt ist uns die moderne Islamwissenschaft bis heute eine wirklich einfühlende Spezifizierung der osmanischen Religiosität und der damit zusammen­hängenden kulturgeschichtlichen Bezüge schuldig geblieben. Die Darstel­lung der Geschichte Südosteuropas von Georg Stadtmüller bietet eine brauchbare und zuverlässige Zusammenfassung aller unser Thema berüh­renden Fragen54). In diesem Zusammenhang sei auch auf die großartige Behandlung der Hauptprobleme der osmanischen Geschichte desselben Ver­fassers hingewiesen, die in programmatischer Kürze den künftigen For­schungen den Weg weist55 *). Die zweibändige Auswahl der Staatsverträge über den Nahen Osten von Hurewitz, die mit den französischen Kapitulationen von 1535 beginnt, muß als vollkommen unzulänglich bezeichnet werden, da darin kein einziger der Verträge der Pforte mit dem Kaiser und mit Österreich Aufnahme ge­funden hat50). Das Werk ist ganz auf die Interessen der Gegenwart aus­gerichtet und berücksichtigt im wesentlichen nur die Orientpolitik der 50) Dorothy M. Vaughan, Europe and the Turc. A pattern of Alliances 1350—1700. Liverpool 1954. — Vgl. dazu die Rezension von Berthold Spuller in der HZ. 181, 1956, S. 214 ff. 51) Fernand Braudel, La Méditerranée et le Monde Méditerranéen ä l’époque de Philippe II. Paris 1949. 52) Ludwig Dehio, Gleichgewicht oder Hegemonie. Betrachtungen über ein Grundproblem der neueren Staatengeschichte. Krefeld 1948. 5S) Carl Brockelmann, Geschichte der islamischen Völker und Staaten. 2. Aufl. München 1943. 54) Georg Stadtmüller, Geschichte Südosteuropas. München 1950. 55) Ders., Osmanische Reichsgeschichte und balkanische Volksgeschichte. (Leipziger Vierteljahrsschrift für Südosteuropa. 3, 1939, S. 1 ff.) 50) J. C. Hurewitz, Diplomacy in the Near and Middle East. 2 Bde. New York 1956.

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