Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)
KRAUS, Wilhelm: Rudolf Kiszling zum 75. Geburtstag
Rudolf Kiszling zum 75. Geburtstag 543 vor 1938 fast 25% beträgt. Eine außerordentlich beachtenswerte Leistung, die Kiszling auch noch mit einer Mehrung der Archivräume in dem bisher „fremdbesetzten“ Nordtrakt des Archivgebäudes krönte. Eine besonders arge Enttäuschung bedeutete für Kiszling die dem neukreierten „Heeresarchiv“ gestellte Aufgabe, „nicht totes Aktenmaterial zu sammeln, sondern Quellen lebendiger, soldatischer Geistesbildung zu erhalten und zu erschließen“. Der Historiker Kiszling vermißte in dieser Aufgabestellung den Auftrag für das Kriegsarchiv zu eigener wissenschaftlicher Forschungsarbeit, wie sie im Kriegsarchiv seit fast einem Jahrhundert Tradition war und seinen Ruhm und Ruf begründet und getragen hatte. Diese wissenschaftliche Berufung und der Forschungsauftrag sollten der „Kriegswissenschaftlichen Abteilung des Generalstabes“ in Berlin oder der „Kriegsgeschichtlichen Forschungsanstalt“ in Potsdam Vorbehalten bleiben. Der zweite Weltkrieg hat dann noch zur Unterbindung der wissenschaftlichen Arbeit überhaupt beigetragen. Verschiedene Dienst- und Vortragsreisen führten Kiszling in der Kriegszeit nach Berlin, München, Zürich, Bukarest u. a. und eine Kommandierung nach Prag betraute ihn auch für längere Zeit (3. 8. bis 3. 11. 1940) mit der (interimistischen) Leitung des im November 1939 aufgestellten Referates „Heeresarchivwesen“, das dann die Bezeichnung: „Heeresarchiv — Zweigstelle Prag“ erhielt. In dieser Tätigkeit führte Kiszling verschiedene organisatorische und fachliche Reformen durch; auch gelang ihm die Erwerbung der Feldregistratur Wallensteins und die Rückführung von Schriftgut, das nach 1918 an die CSR. hatte ausgefolgt werden müssen, für das Kriegsarchiv. Da das Jahr 1945 all dies wieder hinfällig machte, braucht darauf nicht im Detail eingegangen zu werden. Kiszlings offenes, klares und aufrechtes Wesen bei strenger, aber gerechter Haltung seinen Mitarbeitern und Untergebenen im Kriegsarchiv gegenüber — „rauh, aber herzlich“ — hat ihm ihre uneingeschränkte Achtung und ihr Vertrauen gesichert und dauernd über seine Dienstzeit hinaus bewahrt. Die Katastrophe von 1918 hatte Kiszling, den Generalstabsoffizier des 1. Weltkrieges, in der Folgezeit in eine neue Tätigkeit hineingeführt, in der er der Archivar und Historiker des Krieges wurde, den er erlebt hatte. Die folgenschweren Ereignisse von 1945, die Österreich seine staatliche Selbständigkeit Wiedergaben, bedeuteten für Kiszling die vorzeitige Beendigung seiner Dienstzeit: am 23. 4. 1945 wurde der frühere österr. Generalstabsoberst Dr. Regele — während des Krieges freiwilliger Mitarbeiter im Luftfahrtarchiv — mit der kommissarischen und am 8. 5. 1945 Oberstaatsarchivar, Major a. D. Josef Mündl, bisher Kiszlings Stellvertreter, mit der provisorischen Leitung des Kriegsarchivs betraut. Man geht mit der Annahme nicht fehl, daß Kiszling, der durch 25 Jahre dem Kriegsarchiv bis zur leitenden Stelle hinauf angehört und ausschließlich — er war und ist unverheiratet — seinem Beruf, für „sein Archiv“ und seine wissenschaftliche Tätigkeit gearbeitet und gelebt hatte, durch diese Maßnahme sich innerlich schwer getroffen und zu