Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)

NECK, Rudolf: Österreich und die Osmanen. Stand und Probleme der historischen Forschung

Rezensionen 529 hindern sie eine wirklich großzügige Umgestaltung der Spitze der inneren Verwaltung, die nach dem Willen des Kaisers auf Männer wie Erzherzog Carl verzichten mußte. Ein Reformversuch löst den andern ab. Kabinett, Staatsrat und Konferenz stehen jeweils im Zentrum aller derartigen Be­strebungen. Staatsrat und Konferenz werden organisatorisch miteinander verbunden, dann wieder mit neuen Instruktionen versehen und letztlich zur Handlungsunfähigkeit verurteilt. Dies war umso verhängnisvoller, als die geistige Konstitution des Thronfolgers eine reibungslos funktionie­rende „Regierungsmaschine“ unbedingt erforderte. Metternich war sich dieser Notwendigkeit klar bewußt und hat sich in dieser Richtung immer wieder bemüht. Doch wollte ihn nach W. der Kaiser bis in seine letzten Jahre von der Innenpolitik bewußt fernhalten und erst das diesem in den letzten Lebensstunden abgewonnene politische Testament schien Metternich auch auf diesem Gebiet unbeschränkten Ein­fluß zu sichern. Aber nun war der Staatskanzler schon zu alt und zu wenig entschlossen, die errungene Chance auch entsprechend zu nützen. Sein Gegenspieler Kolowrat, Metternich an geistigem Format zwar weit unterlegen, aber ein exzellenter Beherrscher des bürokratischen Apparats und von brennendem Willen zur Macht erfüllt, schaltet sich ein und er­zwingt deren Teilung. Die ständigen Reibungen zwischen den beiden maß­gebenden Männern, die ihnen gemeinsame „Tatenscheu“, ihr starres Fest­halten am alten System führen schließlich zu jenem Zustand, den Metter­nich später selbst als „Regnistitium“ bezeichnet hat. Weit günstiger lagen die Verhältnisse in der Staatskanzlei, die allein schon durch die Eigenart der ihr anvertrauten Geschäfte eine Sonder­stellung innehatte. Dazu kam noch, daß sie sowohl unter Kaunitz wie unter Metternich lange Jahre unter der Leitung von auf diplomatischem Gebiet genialen Männern stand, die sich in ihr Ressort nicht hineinreden ließen. Die Zeil vom Rücktritt Kaunitzs bis zur Amtsübernahme Metternichs mit dem häufigeren Ministerwechsel war hier nur ein Zwischenspiel, in dem die Organisation nicht wesentlich verändert wurde. Bei der Hofkanzlei und der Hofkammer dagegen waren Reformversuche wieder viel notwendiger und häufiger, doch konnten sich zumindest zeit­weise immer wieder fähige Männer durchsetzen. Die historische Kontinui­tät der Obersten Justizstelle — „Justitia regnorum fundamentum“ — wurde nur einmal kurzfristig unterbrochen und völlig ungestört blieb die 1793 eingerichtete Polizeihofstelle, die dann als wesentliches Glied des Systems immer mehr Macht gewinnen konnte. Erschütternd ist die Darstellung des Kampfes, den Erzherzog Carl um die Gestaltung des Hofkriegsrates führte. Nur in der höchsten Not, nach dem Eintreffen seiner düstersten Prognosen, wird ihm dieser 1805 anver­traut. Er reformiert ihn und die Armee, doch zu früh und noch gegen seinen Willen wird von ihm 1809 die abermalige Bewährung gefordert ... Dann erklärt ihm der Kaiser, es sei trotz besten Willens eben doch unmög­lichen, „allenthalben das Mögliche zu leisten“, worauf ihm Carl das Kom­mando der Armee „zu Füßen“ legt. Der Kaiser nimmt den Rücktritt an und gibt dem Hofkriegsrat wieder jene Verfassung, die dieser zur Zeit Lacys gehabt hatte. So wurde denn nicht „regiert“, sondern „admini­Mitteilungen, Band 10 34

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