Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)

NECK, Rudolf: Österreich und die Osmanen. Stand und Probleme der historischen Forschung

522 Literaturberichte Spitzmüller Alexander, ...Und hat auch Ursach, es zu lieben. Wilhelm Frick-Verlag, Wien 1955, 432 S. Der Letzte spricht, so lautete der vom Autor in Aussicht genommene Titel für sein erst posthum erschienenes Erinnerungswerk, mit dem er als letzter überlebender kaiserlicher Minister seiner so ganz anders gearteten Gegenwart ein Bild aus längst vergangenen Tagen vor Augen stellen wollte. Der Kaiser, den Spitzmüller als Persönlichkeit auffaßte, die seiner Zeit ihr Gepräge gab, war Franz Joseph. Beurteilt er auch den Nachfolger nicht nur als Menschen, sondern auch als Herrscher überaus günstig, so steht doch Franz Joseph im Mittelpunkt seines Denkens nicht allein in der rück­schauenden Betrachtung, auch sein aktives Handeln als Beamter, Mann der Wirtschaft und als Minister war auf ihn bezogen. Dadurch unterscheidet er sich nicht von den meisten Männern seiner Generation, die im öffent­lichen Leben eine Rolle zu spielen hatten. Bei dieser Einstellung ist die Gefahr nicht zu verkennen, im Konven­tionellen zu bleiben, so dankenswert Milieuschilderungen durch mitlebende Zeitgenossen stets bleiben. Trotzdem enthält das Werk noch immer über­genug an Einzelheiten. So sehr nämlich Spitzmüller ein Typ war, der Typ des durch Tüchtigkeit, Charakterfestigkeit und auch ein wenig Glück über andere aufsteigenden und zu staatsmännischen Aufgaben berufenen Beam­ten, so eigenwillig und selbstkritisch ist er stets gewesen. Gerade dadurch erhält seine Darstellung besondere Farbe. Ebendiese Eigenwilligkeit hat es verhindert, daß das Memoirenwerk noch zu Lebzeiten des Verfassers erscheinen konnte. Mancher Verleger scheute davor zurück, auch jene Abschnitte unverändert zu drucken, die sich mit dunklen Kapiteln aus der Geschichte der ersten Republik befassen. Hier kannte Spitzmüller kein Kompromiß. Zu Abschwächungen seiner Ur­teile fand er sich nicht bereit, umso weniger, als er in manchen dieser Erscheinungen einen Verfall des Rechtsstaates erkannte, dem er zeitlebens mit Leib und Seele gedient hatte. Diese Einstellung ehrt den Autor, doch zeigt sich doch gelegentlich, wohl unbewußt, das Bestreben, in der vorangegangenen Zeit manches besser zu sehen, als es im Grunde gewesen ist. Gewiß, der durch die Person eines Herrschers wie Franz Joseph repräsentierte Staat hatte einen anderen Stil, als die auf Trümmern entstandene und in Not und Enge ihr Dasein fristende Republik. Indes, auch im Gebälk der Donaumonarchie gab es, ge­rade in ihren letzten Jahrzehnten, manche wurmstichige Stellen. Spitzmüller geht darüber nicht hinweg. Sein Antagonismus gegen Sieghart leitet sich ja davon her. Aber war nicht sein vom Kaiser nicht gerne gesehener Übertritt aus dem Staatsdienst zur Creditanstalt auch ein Symptom? Spitzmüller spricht selbst von inneren Skrupeln, die ihn darob befallen hätten. Die Verflechtung von Bürokratie und Hochfinanz war gefährlich, bei aller Korrektheit konnten sich da Bruchstellen ergeben. Spitzmüller hat es am eigenen Leibe erfahren und manche seiner hochgestellten Berufs­kollegen, Minister und Exzellenzen, nicht minder. Nur zu leicht konnte der Fall eintreten, daß sie das Gesetz des Handelns nicht mehr in der Hand behielten.

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