Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)

NECK, Rudolf: Österreich und die Osmanen. Stand und Probleme der historischen Forschung

Rezensionen 519 schon nicht mehr auf dem Boden der katholischen Lehre stand. Er leugnete die Unfehlbarkeit des Papstes — die Unfehlbarkeit des Papstes in Fragen des Glaubens und der Sitte war Glaubensgut seit dem Bestehen der Kirche, daß eine Definition des Dogmas erst 1870 erfolgte, spricht nicht dagegen. Ebenso nahm Heinke in der Ehefrage einen nicht mehr katholisch zu nennenden Standpunkt ein. Er unterschied bei der Ehe bürgerlichen Ver­trag und Sakrament. Damit stand er der reformatorischen Ansicht van der Ehe als einem weltlichen Dinge bedenklich nahe. In dem 1787 ausgebroche­nen großen Konflikt zwischen Kaiserhof und Kurie erwog Heinke die Ent­ziehung der österreichischen Bischöfe aus der Obödienz des Papstes, ein kirchenpolitisches Kampfmittel, das im Mittelalter vielfach mit mehr oder weniger großem Erfolg angewendet worden war. Einen gleichzeitigen Plan Kaiser Josefs II., einen eigenen Patriarchen als Oberhaupt der österreichi­schen Bischöfe einzusetzen, widerriet er allerdings. Heinkes radikale An­sichten konnten nicht allgemein durchdringen, das verhinderte der auf­richtige Wille Josefs II., am katholischen Dogma festzuhalten. Die Staats- omnipotenz konnte allerdings sehr weit gehen, sie überschritt die ihr von Natur aus gesetzten Grenzen weit. Ihr konnten auch die nach dem Tode Josefs II. einsetzenden Protestaktionen der österreichischen Bischöfe, vor allem die Stimme Kardinal Migazzis, nicht Einhalt gebieten. Den Vorstel­lungen Migazzis und seiner bischöflichen Amtsbrüder wurde kein Gehör geschenkt, die staatliche Gesetzgebung wurde nicht zurückgenommen; Pleinke konnte nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst mit Genugtuung auf sein Werk zurückblicken. Es ist dem Verfasser gelungen, in der Ein­leitung ein plastisches Bild Heinkes zu zeichnen. Vor allem wurden in dieser Darstellung die Grenzen der josephinischen Maßnahmen sichtbar. Der Pro­test der österreichischen Bischöfe, die ihre Stimmen für die Freiheit der Kirche erhoben, bildete einen vielversprechenden Anfang. Anna H. B e n n a (Wien). M a a ß Ferdinand, Der Josephinismus. Studien zu seiner Geschichte in Öster­reich 1760—1850. Amtliche Dokumente aus dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv und dem Allgemeinen Verwaltungsarchiv in Wien. IV. Band. Der Spät­josephinismus 1760—1820. Fontes rerum Austriacarum, Österreichische Ge­schichtsquellen. Zweite Abteilung. Diplomataria et acta. 74. Band. Verlag Herold Wien-München 1957, XXIV + 667 Seiten. S 208.—. Der vorliegende Band Josephinismus IV führt ein in die Problematik der Regierungszeit Kaiser Leopolds II. und der ersten Periode Kaiser Franz I. bis 1820. Der Verfasser kannte zeigen, wie sehr der unmittelbare Nachfolger Josefs II. an dem von seinen Vorgängern geschaffenen staats­kirchlichen Verwaltungssystem festhielt. Sehr zum Unterschied vom staat­lichen Bereich, wo zahlreiche Maßnahmen Josefs II. von seinem Nachfolger zurückgenommen wurden, brachte der Thronwechsel von 1790 auf kirchen­politischem Gebiet keine Veränderungen. Die josephinischen Maßnahmen blieben in Kraft, trotz der Opposition der österreichischen Bischöfe, die sich nicht in ihrer Gesamtheit, wohl aber einzeln vernehmen ließen. Was für die kurze Regierungszeit Leopolds II. galt, galt ebenso für die Regie­rung Franz I. bis 1820. Franz I. stand selbst stark im Schatten seines Oheims Josef II. Der unselbständige, traditionsgebundene Monarch hielt

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