Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)
NECK, Rudolf: Österreich und die Osmanen. Stand und Probleme der historischen Forschung
510 Literaturberichte Besitzkomplexes war Lienz, der östlich und westlich verstreut liegende Besitz war in Urbarämtern zusammengefaßt. Die Herausgeberin stellte dem Text des Urbars eine eingehende, in die Besitzgeschichte und in den Urbarinhalt einführende Einleitung voraus, in der sich wertvolle Angaben über den Charakter der Betriebsformen des Urbarbesitzes, die Einkünfte und Leistungen, das Geldwesen und die Preise befinden. Eine Karte veranschaulicht die topographische Verteilung dieses Besitzes nach den Betriebsformen. Die Edition des Textes erfolgte nach den für lateinische Texte des Mittelalters üblichen Grundsätzen. Ausführliche Namens- und Sachregister erleichtern die Benützung. Es ist der Herausgeberin für die in mühsamer Kleinarbeit erstellte wertvolle Ausgabe zu danken. Anna Hedwig B e n n a (Wien). Flucht und Zuflucht. Das Tagebuch des Priesters Balthasar Kleinschroth aus dem Türkenjahr 1683. Hrsg. v. P. Hermann Watzl, O.Cist., Forschungen zur Landeskunde von Nieder Österreich Bd. 8. 1956. Verl. H. Böhlaus Nachf. Graz-Wien, 251 S., 8 Tafeln, 1 Karte. Die Aufzeichnungen des Priesters und Kapellmeisters Balthasar Kleinschroth über seine Flucht vor den mordenden und brandschatzenden Tatarenhorden im Türkenjahr 1683 aus Heiligenkreuz mit den ihm anvertrauten Sängerknaben sind von ganz außerordentlichem Quellenwert. Die abenteuerliche und gefährliche Flucht von Heiligenkreuz über Kleinmariazell, Lilienfeld, Annaberg, in die Eisenwurzen und durch das Land ob der Enns von Weyer bis Kremsmünster, — um nur einige der Stationen dieses Leidensweges zu nennen —, wo die ihm anvertrauten Sängerknaben endlich eine sichere Zuflucht fanden, führt zwar immer weiter weg vom eigentlichen Kriegsschauplatz des Jahres 1683, zeigt aber mit einer wahrlich erschütternden Intensität die in ganz Niederösterreich sich auswirkenden Folgen des Krieges und des Kriegsgeschreis. Obwohl Kleinschroth seine Erlebnisse zufolge eines Gelübdes, das er ablegte, als er auf seiner Flucht mit den ihm anvertrauten Buben zwischen Göstling an der Ybbs und St. Georgen am Keith durch aufständische Bauern in äußerste Todesgefahr geriet, erst nach drei Jahren im Jahre 1686 niederschrieb und auf dem Gnadenaltar in Altötting darbrachte, ist sein Bericht so erlebnisnah, von einer solchen Unmittelbarkeit der Darstellung, daß man tatsächlich während der ganzen Lektüre des Buches den Eindruck hat, ein Tagebuch vor sich zu haben. Wenn man diese abenteuerliche Flucht an Hand der Aufzeichnungen miterlebt, versteht man, daß Kleinschroth die Erlebnisse dieses Sommers 1683 auch noch nach Jahren Schritt für Schritt vor Augen hatte. Diese einmalige Chronik, geschrieben ohne Seitenblick auf eine eventuelle Publizität, wurde nicht zu Unrecht ein „österreichischer Simplizissimus“ genannt. Sind es in der nächsten Umgebung Wiens und im ganzen Wienerwald die Tataren und die ihnen zugesellten Marodeure, die die kleine Flüchtlingsschar bedrohen, so tritt ihnen daneben und auf ihrem weiteren Fluchtweg durch die Eisenwurzen nach Oberösterreich nicht weniger bedrohlich die rebellierende Bauernschaft entgegen. Hier zeigt sich deutlich, daß die Gegenreformation eben doch noch nicht allzulange zurückliegt. Der aufgestaute Haß gegen Obrigkeit und Klerus, die drückende wirtschaftliche Notlage, das völlige Ausgeliefertsein der bäuerlichen Bevölkerung an Grundherr-