Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)
NECK, Rudolf: Österreich und die Osmanen. Stand und Probleme der historischen Forschung
470 Literaturberichte sind daher vor allem die letzten Kapitel des Buches, die sich mit den übernationalen Werten, dem wahrhaft „Österreichischen“ des alten Habsburgerreiches auseinandersetzen. Es ist zwar nicht all zu viel, was hier als Gemeingut der Völker im Donauraum einer genaueren Prüfung standhält. Darin liegt ja auch nach Kann der entscheidende Mangel, nämlich in dem ungenügend entwickelten Gemeinsinn innerhalb der verschiedenen Nationalitäten, zumindest am Ausgang des Reiches. Von den großen Heldengestalten der „vaterländischen“ Geschichte erweisen sich noch am ehesten die militärischen Führer, vor allem Prinz Eugen, der „Ausländer“, als ein übernational-österreichisches Ideal. Sie alle reichen aber nicht heran an die diesbezügliche Stellung einzelner Herrschergestalten und vor allem nicht an den Herrscher des untergehenden Reiches, an Kaiser Franz Joseph. In ihm leuchtete vor Einfall der Dunkelheit noch einmal jene Kraft auf, die dieses Reich weit über das Niveau einer künstlichen politischen Schöpfung hinausgehoben hatte, eine Kraft, die sich allerdings auch dem Zugriff genauer Messungen entzieht. Und hier liegt vielleicht auch innerhalb des Gesamtprogramms die Problematik dieser, rein fachwissenschaftlich gesehen, wertvollen Studie: Sind aus einer Darstellung des Auflösungsprozesses Alt-Österreichs im Hinblick auf ein durch aktuelle Bedürfnisse zweckbedingtes Forschungsprogramm brauchbare, d. h. positive Erkenntnisse zu erlangen? Gewiß, die Gründe für den Zerfall lassen sich auf sehr nüchterne Daten zurückführen und man kann sich dann gegebenenfalls in Zukunft danach richten. Aber damit hat man relativ wenig. Das Problem liegt ja, wie Kann sehr richtig feststellt, nicht so sehr in der Frage, warum ist Österreich-Ungarn zugrunde gegangen, sondern vielmehr darin, wieso hat es überhaupt die Jahrhunderte überdauern können? Dieses „Lebenselixir“ heraus zu destillieren, ist natürlich auch möglich; die Frage ist nur, ob es einen aktuellen Zweck hat. Die Entscheidung darüber liegt nicht beim Historiker, wohl aber darf er vermerken, daß erfahrungsgemäß auch in der Geschichte „Reprisen“ selten Beifall finden. Joh. Christoph Allmayer- Beck (Wien). Kiszling Rudolf, Die Kroaten. Der Schicksalsweg eines Südslawenvolkes. Verlag Hermann Böhlaus Nachf., Graz—Köln 1956, 266 S„ 15 Abb., 8 Karten. Der bekannte Militärhistoriker hat uns in den letzten Jahren zwei Biographien hervorragender Staatsmänner geschenkt, des Fürsten Felix Schwarzenberg und des Erzherzog-Thronfolgers Franz Ferdinand. Die Stellungen, die beide in der militärischen Hierarchie bekleideten, waren gewiß mit ein Anreiz, der den früheren Direktor des Kriegsarchivs zu Forschungen auf diesem Gebiet veranlaßte. Vielleicht verdankt auch das hier zu besprechende Werk zum Teil ähnlichen Umständen seine Entstehung. Der Autor, in Kenntnis der Memoiren des deutschen bevollmächtigten Generals in Kroatien während des 2. Weltkrieges Edmund Glaise-Horstenau sowie von Aktenmaterial über die militärischen Vereinbarungen der Kleinen Entente vor 1938, mochte sieh aus diesen Gründen, nicht zuletzt auch aus eigenen Erfahrungen als Generalstabsoffizier bei höheren Kommanden während des Völkerringens 1914—1918, zu vorliegender Untersuchung historisch-politischen Charakters bestimmt gefunden haben.