Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)

NECK, Rudolf: Österreich und die Osmanen. Stand und Probleme der historischen Forschung

Österreich und die Osmanen 459 Über den Herzog Karl von Lothringen hat Wentzke eine vorzügliche Monographie verfaßt147). Die Darstellung beruht zu einem guten Teil auf archivalischen Quellen, entbehrt jedoch leider jeden Nachweises. Die natio­nalen Ressentiments gegen die Polen bei der Schilderung der Schlacht vor Wien sind wohl aus der Entstehungszeit des Buches zu erklären. Forst-Battaglia hat dem Polenkönig Johann Sobieski eine ganz hervor­ragende biographische Darstellung gewidmet148). Aber auch hier wurde bedauerlicherweise wieder auf Quellennachweise verzichtet. Obwohl Forst den polnischen Standpunkt vertritt, ist seine plastische Schilderung des Feldzuges von 1683 und besonders der Entsatzschlacht keineswegs ein­seitig. Er wird dem Lothringer und — trotz der manchmal zu billigen Verspottung des kaiserlichen Hofes — auch Leopold I. gerecht und beur­teilt die Teilnahme Sobieskis an dem Krieg, der mit einem Vertragsbruch Polens gegenüber der Pforte begann, als im polnischen Interesse gelegen. Nach der Erhebung Tökölys war das Königreich auf breiter Front von den Osmanen bedroht und Sobieski mußte sich dem Kaiser zuwenden. Daran ändert auch der spätere Dank vom Hause Österreich nichts. Mit Recht hebt Forst die entscheidend hilfreiche Rolle des Heiligen Stuhls im Türken­krieg 1683 hervor. Über die Verbindung Polens zu Rom geben die Briefe Sobieskis an den Nuntius Buonvisi aus den Jahren 1673—1687 Aufschluß. Sie wurden von Corsi in Regestenform veröffentlicht149). Seiner großen Sobieski-Biographie folgt Forst-Battaglia auch in seiner knapperen Darstellung dieses Zeitraums in der Cambridge History of Poland 15°). Auch Halecki beurteilt die Bündnispolitik Sobieskis positiv 151). Einmalig in ihrem Quellenwert sind die von Kreutei und Spiess heraus­gegebenen Erinnerungen des aus Temesvár stammenden türkischen Dol­metschers Osman Aga 152). In den Literaturen des Ostens zählen Memoiren­werke zu den großen Seltenheiten. Durch das Schicksal ihres Verfassers werden die vorliegenden Erinnerungen für uns besonders wertvoll. Osman wurde 1688 bei der Eroberung von Lipova von den Kaiserlichen gefangen genommen, aber bald zur Einholung eines Lösegeldes gegen Gelöbnis freigegeben. Bei der Rückkehr zum kaiserlichen Heer mit dem Geld wird er von Hajducken überfallen und beraubt, doch gelingt es ihm, bzw. dem Offizier, in dessen Gefangenschaft er geraten war, das geraubte Lösegeld wiederzuerlangen. Obwohl er sich nun freigekauft hat, wird er weiterhin gefangen gehalten und zeitweise aufs unmenschlichste behandelt. 147) Paul Wentzke, Feldherr des Kaisers. Leben und Taten des Herzogs Kari von Lothringen. Leipzig 1943. 148) Otto Forst de Battaglia, Jan Sobieski, König von Polen. Zürich 1946. 149) Domenico Corsi, Lettere die Giovanni Sobieski a Francesco Buonvisi. (Bolletino Storico Lucchese XII, 1940, S. 25 ff.) uo) The Cambridge History of Poland. 1. Bd. Cambridge 1950, S. 532 ff. is1) Oskar Halecki, Borderland of Western Civilisation. A History of East Central Europe. New York 1952 und A History of Poland. London 1955. !52) Leben und Abenteuer des Dolmetschers Osman Aga. Eine türkische Autobiographie aus der Zeit der großen Kriege gegen Österreich. Unter Benut­zung der Vorarbeiten von Heinz Griesbach ins Deutsche übertragen und erläutert von Richard F. Kreutei und Otto Spies. (Bonner Orientalische Studien, N. S. Bd. 2.) Bonn 1954, Vgl. dazu F. Taeschner (HZ. 180, 1955, S. 636 ff.) und F. Bajraktarevic (Oriens 8, 1955, S. 311 ff.).

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