Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)

NECK, Rudolf: Österreich und die Osmanen. Stand und Probleme der historischen Forschung

452 Literaturberichte Lepanto empfindlich erschüttert war116). Die Engländer, die damals gegen den heftigen Widerstand der Franzosen diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen zur Pforte aufnahmen, konnten in ihrem Kampf gegen Spa­nien nicht auf die ursprünglich erhoffte türkische Hilfe im Mittelmeer­gebiet rechnen. Kurat hat zwar, vorwiegend nach englischen Quellen, gewisse Zusagen der Pforte, ihre Flotte für das Jahr 1592 einzusetzen, feststellen können, tatsächlich sollte aber der Krieg in Ungarn die militäri­sche Kraft der Türken ganz in Anspruch nehmen117). Immerhin bot die Aufnahme der Beziehungen den Engländern hinläng­liche Vorteile auf wirtschaftlichem Gebiet. Auch die Holländer, die bald nach den Engländern ebenfalls eine Gesandtschaft gegen den Widerstand der bereits akkreditierten Mächte an der Pforte errichten konnten, haben dies zunächst nur zum Ausbau ihres Handels benutzen können. Ernstberger hat darüber vor allem auf Grund der Berichte des kaiserlichen Gesandten eine aufschlußreiche Abhandlung verfaßt118). Der den fünfzehnjährigen Krieg abschließende Friede von Zsitvatorok hat in der Folge zu weiteren diplomatischen Zwischenfällen geführt, da er infolge Übersetzungsfehler verschiedene lateinische und türkische Fassun­gen aufwies. Über den für die Fehler verantwortlichen kaiserlichen Unter­händler Andrea Negroni hat der Referent eine kleinere Untersuchung ver­öffentlicht119). Die Erfahrungen mit den meist abenteuerlichen Gestalten, die sich dem kaiserlichen diplomatischen Dienst an der Pforte als Dol­metscher und Unterhändler anboten, haben mit dazu beigetragen, die bereits von dem fünfzehnjährigen Krieg nach dem Beispiel anderer Staa­ten vorbereitete Institution der Sprachknaben, die erst 1674 zu einer dauernden Einrichtung -werden sollte, wieder auf leben zu lassen. Vor allem war es Kardinal Kiesi, über dessen Türkenpolitik der Referent in seiner Dissertation ausführlich gehandelt hat, der sich dafür einsetzte120). Kiesi dachte auch, nachdem sich im Vertrag von Wien 1615 das Verhältnis Öster­reichs zur Türkei gefestigt hatte, an einen intensiven Ausbau der Handels­116) Arthur Leon Horniker, William Harborne and the Beginning of Anglo- Turkish Diplomatie an Commercial Relations. (Journal of Modern History 14, 1942, S. 289 ff.). Ders., Anglo-French Rivalry in the Levant from 1583 to 1612. (Ebd. 18, 1946, S. 289 ff.) Über Lepanto vgl. jetzt Felix Hartlaub, Don Juan d’Austria und die Schlacht bei Lepanto. (Schriften der kriegsgeschichtlichen Abteilung im Historischen Seminar der Friedrich-Wilhelm-Univeristät, Berlin, Heft 28.) 1940 und über die Rolle der Türken im Seekrieg: R. C. Anderson, Naval Wars in the Levant 1559—1853. Liverpool 1952. 117) Akdes Nimet Kurat, Hoca Sädeddin Efendinin Türk-Ingiliz Münasebet- lerinin tesisi ve gelismesindeki solü. (60 dogun münasebetiyle Fuad Köprülii Amagani, Istanbul 1953, S. 305 ff.) 118) Anton Ernstberger, Europas Widerstand gegen Hollands erste Gesandt­schaft bei der Pforte 1612. (Sb. der Bayer. Ak. d. W., philos.-hist. Kl. 1956, Heft 7.) Über den Handelskrieg der Holländer vgl. auch C. F. Beckingham, Dutch Travellers in Arabia in the Seventeenth Century. (Journal of the Royal Asiatic Society 1951, S. 64 ff. und 170 ff.) 119) Rudolf Neck, Andrea Negroni, Ein Beitrag zur Geschichte der öster­reichisch-türkischen Beziehungen nach dem Frieden von Zsitvatorok. (MÖStA. 3. 1950, S. 166 ff.) 12°) Rudolf Neck, Österreichs Türkenpolitik unter Melchior Kiesi. Diss. Wien 1948.

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