Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)

NECK, Rudolf: Österreich und die Osmanen. Stand und Probleme der historischen Forschung

438 Literaturberichte Wichtiger wurden für die Beziehungen Österreichs zu den Türken die osmanistischen Studien in Ungarn, die schon früher von hohem Niveau waren. Schon vor dem ersten Weltkrieg konnte unter Ausnützung der welt­politischen Konstellation Karácson als einer der ersten Europäer syste­matisch in türkischen Archiven arbeiten. Als Ergebnis seiner Forschungen erschien nach seinem Tode in ungarischer Übersetzung eine Sammlung türkischer Urkunden zur Geschichte Ungarns 19). Seit dem ersten Weltkrieg hat sich dann L. Fekete große Verdienste erworben. Von ihm liegt zunächst ein imposantes Faksimilewerk als Einführung in die osmanische Diplomatik mit einer vorzüglichen Einleitung vor20). Von den darin enthaltenen Ur­kunden aus der Zeit von 1536—1575 stammt fast die Hälfte aus dem Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Für die Geschichte des 17. Jahrhunderts von großer Bedeutung sind ferner die von Fekete herausgegebenen türkischen Schriften aus dem Archiv des Palatins Nikolaus Esterházy21). Diese Publi­kation wird sowohl den Bedürfnissen des Historikers wie denen des Turko- logen gerecht. Vor allem ist die Einleitung, die einen Überblick gibt über die Zustände Ungarns unter der türkisichen Herrschaft, über die Verhält­nisse an der Grenze, die Lage in Siebenbürgen, die Stellung der Hajducken usw., von bleibendem Wert. Neben den im vollen Text mit Übersetzung und z. T. in Faksimile wiedergegebenen Urkunden werden alle anderen türki­schen Urkunden des Palatins in Regesten verzeichnet. Vor zwei Jahren hat Fekete nun eine weitere wertvolle Edition publi­ziert 22) Sie enthält osmanische Quellen über das Wirtschaftsleben der eroberten Provinzen und beruht z. T. auf Wiener Handschriften. Diese Arbeit dürfte in vielen Beziehungen bahnbrechend werden; in erster Linie wohl für die Geschichte Ungarns vom 16.—18. Jahrhundert. Wenn der österreichische Historiker die Leistungen nur der beiden in unseren Nachbarländern wirkenden Turkologen und Osmanisten Fekete und Babinger überblickt23), wird er vom blaßen Neid erfaßt. Im übrigen wurden in vielen anderen europäischen Staaten die in grö­ßeren Archiven liegenden türkischen Urkundensammlungen verzeichnet und z. T. ediert, so u. a. von Zetterstéen und Kurat für Stockholm24), von Duda der Akademie der Wissenschaften, Wien, 82. Jg., 1932, S. 239 ff.). Wittek wirkt heute in England. 19) Karácson Imre, Török-Magyar Oklevéltár 1533—1789, Budapest 1914. 20) Ludwig Fekete, Einführung in die osmanisch-türkische Diplomatik der türkischen Botmäßigkeit in Ungarn. Budapest 1926. 21) Ludwig Fekete (ed.), Türkische Schriften aus dem Archive des Palatins Nikolaus Esterházy 1606—1645. (Esterházy Miklós nádor iratai II.) Buda­pest 1932. 22) L. Fekete. Die Siyaqatschrift in der türkischen Finanzverwaltung. 2 Bde. Budapest 1955. Vgl. die Besprechung von H. Scheel in der Zeitschrift der Deut­schen Morgenländischen Gesellschaft 106, 1956, S. 388 f. 23) Vgl. das Schriftenverzeichnis Babingers in der ihm gewidmeten Fest­schrift „Serta Monacensia“, Leiden 1952, S. Iff. Eine Fortsetzung für die Zeit von 1952 bis 1957 erschien 1957 in Würzburg. 24) A. N. Kurat—K. V. Zetterstéen, Türkische Urkunden. Uppsala 1938. K. V. Zetterstéen, Türkische, tatarische und persische Urkunden im Schwedi­schen Reichsarchiv. Uppsala 1945. Ders., Die türkischen Urkunden in Schweden (Oriens 8. Jg., 1955, S. 589 ff.).

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