Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)

NEMETZ, Walter: Die Kriegsraketen im österreichischen Heere

Die Kriegsraketen im österreichischen Heere. Von Walter Nemetz (Wien). Die moderne Physik definiert das Wesen der Rakete als „Strahl­antrieb, entstanden durch instationäre eindimensionale Strömungen mit Gasquellen“ '), wobei die hier im nachfolgenden behandelten Pulverraketen als Gasquelle den allmählich verbrennenden Treibsatz aus Pulvergemisch besaßen, der durch das Ausströmen der Verbrennungsgase aus der Boden­öffnung der Rakete jene eindimensionale Strömung hervorrief, welche das ganze System durch Rückstoß gegen den Luftwiderstand vorwärtstrieb. Da als erster Raketenantrieb nur ein in seiner Zusammensetzung dem Schwarzpulver entsprechendes explosiv-abbrennendes Gemisch in Betracht kam, war für die Erfindung der Rakete die Kenntnis der Schwarzpulver­erzeugung Voraussetzung. Marcus Graecus (846 n. Chr.) gibt in seinem „Liber ignium ad comparendos hostes“ * 2) erstmalig eine Vorschrift zur Bereitung von Schwarzpulver aus 6 Teilen Salpeter, 2 Teilen Schwefel und 2 Teilen Kohle. Unter Verwendung eines ähnlichen Gemenges als Treib- und Zündstoff stellten die Griechen auch das „Feuer, das aus Rohren gestoßen wurde“, her, mit denen sie im Jahre 941 vor Byzanz die Flotte des Zaren Igor dezimierten. Ob jedoch die Griechen die Erfindung des Schwarz­pulvers und der Rakete für sich beanspruchen können,ist nicht erwiesen, zumal vieles darauf schließen läßt, daß es sich schon bei den großen Feuern, welche Alexander dem Großen das Vordringen in Indien so erschwerten, nicht nur um entfachte Flächenbrände handelte, sondern daß bereits damals die Inder aus ihren Befestigungen mit Pulver gefüllte Bambusrohre in Brand gesetzt haben, welche — als Urform der Rakete — den Angreifern verderbenbringend entgegenflogen. Nicht umsonst war Agni, der Hauptgott der damaligen Bevölkerung Indiens, gleichzeitig auch als Kriegs- und Feuergott bedeutsam3). Aus dem Mittelalter liegt eine große Zahl von Belegen über die Ver­wendung von Kriegsraketen in verschiedensten Formen und Größen vor. Seit 969 bedienten sich die Chinesen bei der Herstellung von Brandpfeilen 1) Gartmann, Heinz: Raketen. — Stuttgart 1956, pag. 5 ff.; ferner Leicht, Josef: Charakteristikenverfahren für instationäre eindimensionale Strömungen. — Phil. Diss. Wien 1952. 2) Demmin, August: Die Kriegswaffen in ihren geschichtlichen Entwick­lungen. — Leipzig 1893, pag. 105 ff. 3) Pawlikowski-Cholewa, Alfred von: Die Heere des Morgenlandes. — Ber­lin 1940, pag. 67. Mitteilungen, Band 10 17

Next

/
Thumbnails
Contents