Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)
WAGNER, Hans: Das Reisejournal des Grafen Seckendorff vom 15. Juli bis zum 26. August 1730
240 Hans Wagner digsten gefallen dergestalt eingerichtet wurde, daß der fürst von Anhalt und alle übrige große bagage den weg über Minden durch das Hildesheimische nach Halberstadt und Halle genommen, ihro königliche mayestet aber mit 3 waagen über Paderborn nach Fritzlar und von da ferner über Eisenach nach Halle kommen solten. Und damit es an denen nöthigen postpferden nirgends fehlen mögte, so brach der general Seckendorff mit dem obristen Kröcher annoch diesen abendt auff und fuhren biß Paderborn. Den 2 2. August begaben sich ihro mayestet von Lippstadt hinweg, folgten die gemachte route über Paderborn und Ossendorff nach Fritzlar, alwo dieselbe mit zu ende gehenden tage anlangten. Sie waren sehr vergnügt, daß sie alda schon den general Seckendorff und obristen Kröcher nicht allein antraffen, sondern auch eßen parat funden, weil sie auff dem weg nichts haben können. Seine mayestet sagten über der taffel, wie sie fürchteten, es würde Chursachsen gantz auff die Sevillianische parthey gehen. Ihro mayestet wolten zwar weder geldt noch ambassaden spahren, um den könig von Pohlen auff beßere gedancken zu bringen und ihn an sein so offt gethanenes versprechen zu erinnern. Wenn es aber nichts fruchten wolte, so mögte es auch gehen wie es wolte, so solte ihn doch nichts als der todt vom kayser und reich scheiden. Dieses redete er in bey- seyn der obristen Derschau und Kröcher. Da man in erfahrung gebracht, daß der printz Wilhelm von Hessen 16ä) nebst dem general Sutton auff den geraden weg nach Eisenach zu Einbeck einige regimenter die musterung passiren ließe, so wolte der könig diese rencontre evitiren, weßwegen der weg nach Eysenach über Morche, Beverungen und Vach beliebet worden. Den 2 3. August nach mitternacht machte sich der general Seckendorff mit dem obristen Kröcher auff den weg und als man nahe bey Mor- chen kam, rencontrirte man zwey Compagnien von dem heßischen leib- regiment zu pferdt, welche nach dem musterplatz passirten. Im posthauß erfuhren sie, daß der prinz Wilhelm mit Sutton die nacht in Rothenburg geschlaffen und gegen 8 uhr einen büchsen-schuß von Morchen das leib- regiment zu pferdt und ein regiment zu fuß besehen würde. Und obwohl die straße nach Vach durch Rothenburg durch gienge, so glaubte doch der Postmeister, man würde den printz Wilhelm auff der großen straße nicht rencontriren, indem sie gemeiniglich die wiesen herab längst der Fulda zu fahren pflegten. Man hielte vor nöthig, den könig durch den Seckendorffischen cammerdiener zu pferd von dem Vorfall zu avertiren und anzu- rathen, daß seine mayestet allenfals ihren wagen zumachen laßen und also incognito passiren mögten. Welches auch um so ehender glücklich ge- 165 165) Wilhelm VIII., Landgraf von Hessen-Kassel, geb. 1682, gest. 1760, wurde 1730 von seinem Bruder, dem König von Schweden, zum Statthalter in Hessen- Kassel ernannt.