Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)

KRAMER, Hans: Fürstbischof Dr. Cölestin Endrici von Trient während des ersten Weltkrieges. Nach neu gefundenen Akten

526 Hans Kramer klérus dieses deutschen Anteils zu gewinnen. Bei der Visitation einer Pfarre in der weiteren Umgebung von Bozen soll er aufatmend gesagt haben: „Das Eis ist gebrochen!“ Heute sprechen selbst ältere Geistliche des deutschen Anteils, die seine Regierung noch erlebt haben, mit nicht geringer Achtung von ihm. Manches ist eben wohl nicht vergessen, aber verziehen. Es sei Endrici hoch angerechnet, daß er trotz seiner Zuge­hörigkeit zum italienischen Volk das Abkommen zwischen Hitler und Mussolini vom 23. Juni 1939, nach dem die deutschen Südtiroler auf Grund einer Wahl ihre Heimat verlassen und nach dem Großdeutschen Reich übersiedeln sollten, keineswegs billigte. (Er sagte damals: „É una bestialitä“.) Er drückte für jeden sogenannten „Weggeher“ sein Mitleid aus83). Wenn heute ein Mann, der glaubt, ein guter Deutschtiroler und ein guter Österreicher zu sein, im Dom von Trient vor der großen Grab­platte Endricis vor dem Hochaltar steht, wird er sich voll bewußt, daß die Zeit Wunden heilt. Wenn man objektiv bleiben will, muß man aner­kennen, daß Endrici eine Achtung gebietende und sicher eine sehr inter­essante Persönlichkeit der jüngsten Geschichte Alttirols gewesen ist. N achtrag: Unterdessen sind zwei wichtige Arbeiten erschienen: 1. Fridolin D ö r r e r, Bistumsfragen Tirols nach der Grenzziehung von 1918, in der Michael-Gamper-Festschrift (vgl. oben Anm. 4), S. 47 ff. 2. Generalvikar Dr. Josef Kögl von Trient, Der Bozner Anteil der Kirche des hl. Vigilius im Spiegelbild der Zahlen (Folium Dioecesanum Tridentinum, 23. Bd., Nr. 14, Beilage B), Trient 1956. Generalvikar Dr. Josef Kögl leitete durch viele Jahre den deutschen Anteil der Diözese Trient (heute ist für diesen Anteil in Bozen der deutsche Weih­bischof Dr. Forer eingesetzt). Generalvikar Dr. Kögl hat die kirchlichen Archi­valien in Trient zur Verfügung und weiß schon von seiner langen Amtstätigkeit und aus seiner reichen Erfahrung sehr viel über die Erzbischöfe von Trient und über die Verwaltung der Diözese. 83) Paul H e r r e, Die Südtiroler Frage, a. a. O., S. 240, 334, 366, 387, 395. Zeitung Dolomiten (Bozen) v. 17. März 1934. Giulio Savorana, Con Mons. Endrici in difesa delle nostre istituzioni (im Zeitalter des Faschismus), in der Zeitschr. San Vigilio, 25. Jg., Nr. 5—6, Okt.-Dez. 1950, S. 31 ff. Per il XXV° anno di episcopato di C. Endrici (Festschrift), a. a. O., S. 4f. Mein Aufsatz in der Karl-Jax-Festschrift, Schlußkapitel. Vigilio Zanolini mußte es versäumen, seinem 1. Band über Endrici den so nötigen 2. Band folgen zu lassen. Hat Zanolini im 1. Band so viel über begründete oder unbegründete Klagen und Be­schwerden Endricis über die österreichische Herrschaft geschrieben, so hätte er im 2. Band nicht wenig über die großen Enttäuschungen Endricis nach 1922, unter dem Faschismus schreiben können. Dies wäre jedoch vor 1945 nie zum Druck gelangt. Zanolini hätte sich mit dem Versuch argen Verfolgungen aus­gesetzt. Es wäre überhaupt fraglich gewesen, ob Zanolini den Willen gehabt hätte, einen solchen zweiten Band zu schreiben, auch wenn er gedurft hätte. „Quod licet Jovi (Mussolini), non licet bovi (dem alten Österreich, nach der Meinung mancher alter Irredentisten).“ Savorana hat leider nur kurz über die Regierungstätigkeit Endricis unter dem Faschismus geschrieben (1950, vgl. oben).

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