Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)
WEINZIERL-FISCHER, Erika: Zeitgenössische Polizei- und Diplomatenberichte über das Konkordat von 1855
Zeitgenössische Polizei- und Diplomatenberichte über das Konkordat von i855. Von Erika Weinzierl-Fischer (Wien). Die Beurteilung des Konkordats von 1855 durch die zeitgenössische Presse und Memoirenliteratur wurde von der Verf. bereits an anderer Stelle behandelt1)- Amtliche Berichte der Polizeibehörden und des Außenministeriums der Monarchie über die Aufnahme des Konkordates im In- und Ausland sind der Gegenstand der folgenden kleinen Arbeit. Die Färbung vieler dieser Berichte ist von der Tatsache bestimmt, daß sich besonders scharfe Gegner des Konkordates unter der überwiegend josephinisch gesinnten Bürokratie befanden, die gemeinsam mit den zu dieser Zeit ständig an Einfluß gewinnenden Liberalen gegen das „gedruckte Canossa“ kämpften2). Einer der prominentesten Vertreter dieser josephinisch-konservativen Anti-Konkordatspartei war der Polizeiminister Kempen. Er sammelte in seinen Tagebüchern alle ihm zu Ohren kommenden konkordatsfeindlichen Äußerungen3) und ließ auch in seiner Amtstätigkeit keine Gelegenheit vorübergehen, gegen das Konkordat Stellung zu nehmen. Dazu haben den Minister allerdings nicht nur sachliche, sondern auch persönliche Motive bewogen. In einer Notiz der Obersten Polizeibehörde vom 9. Jänner 1856 heißt es nämlich u. a., daß die Macht und Geltung der Obersten Polizei- Behörde durch die „schrankenlose Ausdehnung, welche das Episkopat den erworbenen Gerechtsamen zu geben sucht, zunächst auf Null reduziert werden würde, ist für sich klar. Ohnedies erscheint das Totale des Konkordates als ein gegen die Polizei geführter Hauptschlag“ 4 *). Argumente allgemeiner Natur brachte Kempen in seiner Fehde 6) mit dem Kultus- und Unterrichtsminister Thun im März und April 1856 über die Besprechung des Konkordates durch die Presse der Monarchie vor. „Während jetzt die Besorgnisse wegen der Folgen des Concordates nur >) Erika Weinzierl-Fischer, Das Konkordat von 1855 im Urteil der Zeitgenossen. Religion, Wissenschaft, Kultur. Vierteljahrsschrift der Wiener Katholischen Akademie 1956, Folge 3. 2) Vgl. Georg Franz, Kulturkampf, München 1954, S. 82. s) Josef Karl Mayr, Das Tagebuch des Polizeiministers Kempen von 1848 bis 1859, Wien—Leipzig 1931, S. 371 ff. ‘ 4) Oberste Polizeibehörde Pr. I, ZI. 122/1856, Allgemeines Verwaltungsarchiv Wien (= AVW.). Herrn Staatsarchivar Univ.-Doz. Dr. Walter Goldinger, der die einschlägigen Akten dieses Archivs freundlicherweise zur Verfügung stellte, sei hiermit bestens gedankt. s) Oberste Polizeibehörde H 21/1856 AVW., und Gendarmerie-Departement, Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien (= Gen.Dep., HHStA.).
