Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)

MARX, Julius: Die amtlichen Verbotslisten. Zur Geschichte der vormärzlichen Zensur in Österreich

180 Julius Marx Bloße Unterhaltungslektüre, Romane, Liederbücher, Witz- und Anekdotensammlungen verfielen vielfach dem Ver­bote, Hier seien nur jene Schriften herausgegriffen, die den Schauplatz ihrer Handlung nach Wien verlegten. Sie stammen keineswegs alle von österreichischen Schriftstellern, wohl aber sind sie samt und sonders der verdienten Vergessenheit anheimgefallen. Nur „Bilder und Träume aus Wien“, Leipzig 1836 (36 V1/i, 522 r) des Berliner Humoristen Adolf Glaß- brenner, das damals wie alle seine Schriften verboten wurde, hat sich als wertvoll erwiesen und ist 1922 in der Reihe „Die gute alte Zeit“ in Wien neu herausgegeben worden83). Erga schedam erhielten zwei Schriften von Julian Chownitz, nämlich „Die Geheimnisse von Wien (44 lh, 203 r) sowie „Moderne Wiener Perspektiven“ (43 VIII/2, 223 r), beide in Leipzig erschienen. Verboten wurden von Mrs. Frances Trollope, Vater, Mut­ter, Sohn. Ein Roman aus Wien, Braunschweig 1839 (39 tyi, u. n/i, 431 u. 425 r) und Dr. J. Scherr, Die Waise von Wien, 1,—3. Bd., Stuttgart 1847 (47 ni/i, 57) desgleichen von Dr. A. J. Groß-Hoffinger, Das galante Wien, Leipzig 1846 und „Wien wie es ist“, Leipzig 1846 f. (46 XI/i u. 2, 67 u. 69 r; 47 n/2, m/2, xn/g> 59, 54, 10 r) 83). Verherrlichungen usw., namentlich wenn sie das Kaiserhaus betrafen oder sich auf Metternich bezogen, seien sie nun. in Druck, Hand­schrift oder als Kunstgegenstand erschienen oder gedacht gewesen, wurden oft genug unterdrückt, wie wir es schon in Betreff des Papstes und anderer damals im Blickpunkt des Interesses stehender Persönlichkeiten feststellen konnten. Mehr Schwierigkeiten bereitete der Wunsch des in Wien weilen­den montenegrinischen Vladiken, dem Staatskanzler einen Glückwunsch zum Neujahr 1837 in serbischer und deutscher Sprache darbringen zu dürfen. Er ließ sich schließlich bewegen, bloß eine Reinschrift abzugeben. Nichts- * 83 84 Eschenbach hat nach Paolis Tod eine feinsinnig zusammengestellte Gedicht­auslese veröffentlicht. — Hahn-Hahn, geh. 22. 6. 1805 auf Schloß Tressow, Mecklenburg, gest. 12. 1. 1880 in Mainz. — 83) Glaßbrenner, geb. 27. 3. 1810 in Berlin, hier gest. 25. 9.1876, schrieb meist unter „Ad. Brennglas“ ; er gilt als „Vater des Berliner Witzes“.— Glossy, a. a. O., II., S. 245 f., Anm., S. 175. — Vgl. Textseite 157 u. Anm. 20. — Wir finden: „Berlin wie es ist und — trinkt“, 30 Hefte, von denen einige verboten, andere beschränkt wurden (36 vm/i> 529 r; 44 m/2, 196; 47 VI/2, 38), „Neuer Reineke Fuchs“, Leipzig 1846 (45 XI/2, 117), der sogar damnatur nec erga schedam erhielt, dazu „Offenes Sendschreiben an das Ober-Zensurgericht zu Berlin in Sachen des Gedichtes „Neuer Reineke Fuchs“ von A. Glaßbrenner“, Hamburg 1846 (46 VII/i, 86 r; damn.). — 84) Lieder: Wiesner, a. a. O., S. 361 f. — Scherr: Anm. 65. — Chow­nitz u. Groß-Hoffinger: vgl. Glossy, a. a. O., Anm., S. 2, 23 f., 65 f., zu ersterem auch J. Marx, Die Sicherheitsverhältnisse der Hauptstädte des deutschen Österreich 1840.—1848, in MJöG, Bd. 54, Innsbruck 1941; S. 204. — Trollope, geb. Múlton, geb. um 1779 in Heckfield, gest. 6. 10. 1863 in Florenz, veröffentlichte Novellen und Reisebeschreibungen, z. B. Paris et les Parisiens en 1835, T. 3, Paris 1836 (36 V/2, 521), das hier aus dem Englischen übersetzt ist.—

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