Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)
MARX, Julius: Die amtlichen Verbotslisten. Zur Geschichte der vormärzlichen Zensur in Österreich
174 Julius Marx nichts zu finden. Wurden die Stücke in Österreich eingereicht, so hatten der Verfasser, der Bearbeiter oder Übersetzer den Kampf mit der Zensur durchzufechten. Bei einer völligen Ablehnung müßten sie sich unter den „Manuskripten“ finden; tatsächlich sind ein paar hiehergehörige Dinge vorhanden. Ausländische Stücke erscheinen als „Dramatische Werke“ der betreffenden Dichter unter den Büchern69). Wenn wir uns nun der eigentlichen Dichtkunst zuwenden, so muß zunächst noch einmal unterstrichen werden, daß die Listen, da ja in Österreich nichts ohne Zensurbewilligung gedruckt werden konnte, bloß außerhalb der Grenzpfähle Gedrucktes bringen; natürlich befinden sich darunter — oft anonym — Werke von Österreichern, nicht bloß von solchen, die im Reiche lebten. So ist alles, was damals Rang und Namen hatte, vertreten. Daß dabei die politische Dichtung vorwiegt, liegt auf der Hand. Unsere heutigen Dichter dürfen neidvoll auf diese Zeit blicken, da sich die Zensur bemühen mußte, dem Volke Gedichte zu verhehlen. Diese Bemühungen finden in der Verschärfung der Zensurgrade ihren Ausdruck, die Wiesner schon 1847 heftig kritisierte. Anastasius Grüns „Spaziergänge eines Wiener Poeten“, die die politische Dichtung eingeleitet hatten, wurden, nachdem sie zuerst verboten worden waren, nachträglich „außer Curs gesetzt“ (38 XI/ä, 437). Werke von Heine, Freiligrath, Hartmann, Rollett und anderen verfielen der Beschlagnahme70). Verboten und vom Schedenbezug ausgeschlossen wurden Rollett, Lyrisches Wanderbuch eines Wiener Poeten, Franki, a. M. 1846 (46 x[;i, 72), Hart mann, Neuere Gedichte, Leipzig 1847 (46 XII/i, 67), ferner des Dichters unseres Straußwalzers, „An der schönen blauen Donau“, Karl Beck, Der fahrende Poet, Leipzig 1838 (38 x/i, 446), hingegen hatte dessen bekanntestes Werk, der Versroman „Jankó, der ungarische Roßhirt“. Leipzig 1841 (41 XI/a, 291 r) nur erga schedam71). Verboten wurden von 69) Bauernfeld: Grillparzer-Jahr b. XIII., S. 280 ff., 330 ff.; dazu ebd., XXX., Zur Geschichte der Theater Wiens III. (1831—1840); S. 3 f., 8 ff., 52. Beide Arbeiten sind von K. Glossy. — Die Zeitschrift „Theater- Chronik“ (39 x/2, 382) erhielt 1839 von Nr. 119 angefangen: „continuant, e. sch.“ — Vgl. Anm. 51; dazu Übersetzungen von Werken Scribes, Victor Hugo oder Guérin ins Deutsche oder Italienische: Manuskrip. 36 v/2> v 1 r/a, x/i, 521, 528, 538. — 70) Wiesner, a. a. 0., S. 346 f.. 349 ff. — Marx, Vormärzl. österr. Zensur, Nr. 4, 9,10, 14, 20, 37; S. 79 f., 81, 83. — Anast. Grün: geb. 11. 4. 1806 in Laibach, gest. 12. 9. 1876 in Graz. — Zu Grüns Dichtung und den polizeil. Bemühungen, den Autor festzustellen, vgl. zuletzt E. Castle, Lenau im Zensurkrieg, in „Dichtung aus Österreich“, Wien 1951; S. 150ff.— Glossy, Literar. Geheimb., Anm., S. 119 f., 120, 124, 140 f., 145. — Freiligrath: geb. 17. 6. 1810 in Detmold, gest. 18. 5. 1876 in Cannstadt. — Keller, a. a. O., S. 101 f. u. a. 71) Hartmann: geb. 15. 10. 1821 in Duschnik, gest. 13. 5. 1872 in Wien; zu „Kelch und Schwert“ vgl. Wiesner, a. a. O., S. 137 (Fußnote). — Rollett: geb. 20. 8. 1819 in Baden bei Wien, gest. hier 30. 5. 1904. — Karl Isidor Beck: geb. 1. 5. 1817 in Baja, Ungarn, gest. 9. 4. 1879 in Wien. —