Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 8. (1955)

NECK, Rudolf: Zeitgeschichtliche Literatur über Österreich

Rezensionen 471 Die beiden, reich mit Anmerkungen ausgestatteten Aufsätze stellen die Akribie, vor allem aber das genaue Aktenstudium des Verf. unter Beweis. Eine Veröffentlichung der Gesamtarbeit in Buchform wäre wegen der besseren Übersichtlichkeit und im Hinblick auf das bisher nur teilweise Eingehen auf die geplanten, aber nicht zur Ausführung gelangten Veränderungen der Diözesen zu begrüßen. Hans Wagner (Wien). Strobel Ferdinand, Die Jesuiten und die Schweiz im XIX. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Schweizerischen Bundesstaates. Walter Verlag, Olten und Freiburg im Breisgau 1954, XI + 1147 Seiten, SFr 25.—. Es mag zunächst ungewöhnlich erscheinen, daß ein Orden der katho­lischen Kirche in den Prozeß der Verfassungsumbildung der Schweizer Eidgenossenschaft vom Staatenbund zum Bundesstaat hinein verflochten ist. Angesichts der Tatsache, daß Art. 51 der Schweizer Bundesverfas­sung den Gliedern des Jesuitenordens jede Wirksamkeit in Kirche und Schule untersagt und daß in jüngster Zeit in der Schweiz eine von allen Beteiligten mit großer Sachlichkeit geführte Diskussion über das Jesuiten­verbot in Fluß gekommen ist1), drängt sich die Frage auf, wie es 1848 zu diesem Verfassungsartikel kommen konnte. Es ist nun das Ziel dieser Arbeit, deren Verfasser selbst Jesuit ist und der schon Gelegenheit hatte, kleinere Arbeiten zu diesem Thema zu veröffentlichen2), die Frage des Verhältnisses des Jesuitenordens zum Schweizer Staat und zur Schweizer Politik in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts darzustellen. Gestützt auf umfassendes, reiches Quellenmaterial in den Schweizer Archiven, im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv, im Vatikanischen Archiv und in zahlreichen Archiven des Jesuitenordens, von dem über 700 Dokumente im Anhang der Darstellung abgedruckt wurden, gibt Strobel im ersten Teil seines Werkes einen Überblick über Berufung und Tätigkeit der Jesuiten in den katholischen Kantonen Wallis, Freiburg, Schwyz, Luzern. In einem zweiten Teil findet der Gang der Ereignisse in den Vierziger Jahren bis zur Tagsatzung des Jahres 1848, in der der Beschluß der Errichtung des Schweizer Bundesstaates gefaßt wurde, seine Darstellung. Dem Beschluß der Tagsatzung ging eine kriegerische Auseinandersetzung der Radikalen und Konservativen Kantone voraus, der mit einem Sieg der Radikalen endete. Sowohl politisch als auch weltanschaulich trennte beide Parteien eine tiefe Kluft; die Radikalen vertraten politisch die Gedanken der Freiheit, Gleichheit und des Nationalstaates, weltanschau­lich hingen sie einem anthropozentrischen Weltbild an und zeichneten sich mindestens vor 1848 durch Kirchenfeindlichkeit aus. Diese Momente brachten sie von vornherein in Gegensatz zu den Konservativen Kantonen der Innerschweiz, die am politischen Ideal der alten Eidgenossenschaft 1) Vgl. Die Jesuitenfrage in der Schweiz: Die Diskussion in der „NZZ“ über das Jesuitenverbot der Bundesverfassung, Verlag der Neuen Züricher Zeitung, Zürich 1954. 2) Ferdinand Strobel, Die Jesuitenfrage zur Sonderbundszeit, Schweizer Rundschau 47 (1947), Der schweizerische Protestantismus und die Jesuitenfrage in der Sonderbundszeit, ebenda, Zur Jesuitenfrage in der Schweiz, Zürich 1948.

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