Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 8. (1955)
NECK, Rudolf: Zeitgeschichtliche Literatur über Österreich
464 Literaturberichte des Psychoanalytikers Dr. Paul Federn zu eigen, der jene gefährliche Tendenz auf die ganz ursprünglich im Menschen vorhandene Sohn- Vater-Beziehung zurückführt, die auch im politischen Bereich ausgeprägt ist und sich speziell bei Völkern mit langer monarchischer Tradition nach Einführung der republikanischen Staatsform in der Richtung einer Diktatur durchzusetzen vermag. Dieser Entwicklungskeim innerhalb der Demokratie kann für die Freiheit tödlich sein. Doch scheinen jene ständig die europäischen Republiken bedrohenden Gefahren in der USA nicht oder nur in geringem Maße zu bestehen; bei seiner Erklärung dieses Phänomens schließt sich der Autor weitgehend der Ansicht Prof. Harold Leskys an, nach welcher die Dauerhaftigkeit einer Demokratie von zwei Momenten bedingt ist: 1. von einem Zweiparteiensystem, 2. von dem Vorhandensein eines gemeinsamen politischen Nenners im ganzen Volkskörper. (Man darf hier nicht eigentlich von einem weltanschaulichen Nenner sprechen, da Religionsgleichheit, bzw. -Verschiedenheit allein ihn nach Ansicht des Autors weder zu schaffen vermag, noch wesentlich stören muß.) Es muß K.-L. darin rechtgegeben werden, daß er der zweiten Forderung, die in Amerika ebenso verwirklicht ist, wie die erste, das größere Gewicht beimißt (S. 126 ff.). Bei Beobachtung der Tatsache, daß sich die Demokratie in einigen (wenigen) Ländern gut erhält, in vielen aber von einer Krise zur anderen schlittert, macht der Autor die Feststellung, daß solche Krisenhaftigkeit besonders in katholischen Staaten katastrophal geworden ist; zugleich aber ist es auch ein Faktum, daß gerade die katholischen Völker ihre Monarchen durchwegs entthront haben, während die protestantischen sie zu einem großen Teil noch besitzen. Diese haben ein Kompromiß zwischen Monarchie und Demokratie geschlossen, das, wie der Autor meint, im katholischen Raum nicht möglich ist. Wohl mit Recht wird dies mit der größeren Offenheit des Protestanten für den Liberalismus auf Grund seines schwächeren Kirchenbegriffes, seines Relativismus gegenüber den religiösen und auch jeglichen anderen Wahrheiten und der daraus entspringenden Bereitschaft, Gegensätze zu verbinden, erklärt. K.-L. geht so weit, zu meinen, die Demokratie könne nur im Bereich der evangelischen Konfessionen und niemals im katholischen Bereich gelingen. Sicherlich ist die Ansicht des Verfassers begründet, man fände im Protestantismus, oder genauer gesagt, im Luthertum, eine größere Gefügigkeit dem Staat gegenüber, die ja auch bei Luther doktrinär verankert ist und traditionell im Staatskirchentum ihre feste Basis hat. Für den Katholiken ist der Staat nicht die letzte irdische Autorität, es gibt daher einen heiligen Widerstand; daraus ergibt sich die Folgerung K.-L.s, diese kompromißlose und auf das Absolute eingestellte Haltung, die Neigung zum Extrem, sozusagen zum Heiligen oder zum Revolutionär, für typisch katholisch zu halten. Dabei sei charakteristisch eine große Selbständigkeit, Freiheitsliebe und Toleranz im gesellschaftlichen Bereich. Diese Beobachtungen sind interessant und haben viel Richtiges an sich, nur ist hier einige Vorsicht geboten, da noch andere Momente