Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 8. (1955)

HEYDENDORFF, Walther: Die Kriegsakten im Haus-, Hof- und Staatsarchiv

Österreich 323 fung des Kleiderluxus, die Gründung einheimischer Manufakturen, die Einschränkung der Erziehung der Jugend im Auslande und die Abstel­lung oder Milderung des Religionszwistes. Die Korrespondenzen des Diplomaten und Militärs Otto Heinrich Carrett o, Marchese di Grana, die bereits im 6. Band der „Mit­teilungen“ erwähnt wurden, finden hier für die Jahre 1678 und 1679 ihre Fortsetzung (Fasz. 207, 385 Fol.). Ein kleiner Bestand enthält die Kor­respondenz des Bischofs von Gurk mit Grana (108 Fol.). Reichshofrat Johann Freiherr v. Goess (1611—1695) war diplomatisch tätig, wurde 1676 Bischof von Gurk, war 1678/1679 kaiserlicher Prinzipalbevollmäch­tigter bei den Friedensverhandlungen zu Nimwegen, wirkte 1683 im eingeschlossenen Wien und wurde Kardinal3). Schließlich erliegen in dem gleichen Aktenbund mit 217 Folien zahl­reiche Briefe in französischer Sprache des Herzogs Carl V. von Loth­ringen an Grana aus dem Feldlager (1676, 1678 und 1679). Über den Inhalt des vorliegenden Bestandes wäre zunächst im all­gemeinen festzustellen, daß er die Wandlungen in der Struktur des Rei­ches als Folgeerscheinungen des Westfälischen Friedens deutlich wie­derspiegelt. Mehr denn je war die Kriegsverfassung des Reiches ein Zerr­bild. Die Beschaffung von Soldaten, Geld, Unterhalt, Quartier und Kriegs­material war an langwierige Unterhandlungen mit den Kreisen und der Vielfalt der Stände gebunden, die in den „Kriegsakten“ die Hauptmasse des Aktenmaterials bilden. Um schlagkräftige militärische Hilfe des Reiches zustandezubringen, war der Kaiser genötigt, regelrechte Bünd­nisse mit größeren Reichsständen oder Kreisen einzugehen. Als schließ­lich seit 1688 der Krieg an zwei Fronten, gegen Türken und Franzosen, zu führen war, zog es die oberste Reichsgewalt vor, militärisches Zu­sammenwirken mit jenen Fürsten aufzusuchen, die über eigene Streit­kräfte verfügten. Die bewilligte Reichshilfe der übrigen Stände sollte in Geld, Lieferungen oder Quartierbeistellung abgegolten werden, was gleichfalls umfangreiche Korrespondenzen zur Folge hatte. Die Ein­holung der Genehmigung einzelner Stände zur Anwerbung von Soldaten, die Ansuchen um Bewilligung des Durchmarsches von Truppen, die der Hofkriegsrat bei der Reichshofkanzlei anforderte, die Erledigung der Beschwerden über Ausschreitungen der Kriegsvölker füllen gleichfalls zahlreiche Blätter des Bestandes. Einige Beispiele mögen beleuchten, zu welchen Zuständen diese Ein­engung der Rechte des Reichsoberhauptes führte. Als 1689 über Wunsch der Regentin von Ostfriesland die dort lie­gende kaiserliche Sicherheitsbesatzung um 50 Mann verringert wurde, mußte ein Patent in das Reich erlassen werden, um den Durchzug dieses Fähnleins von Ostfriesland nach Sachsen-Lauenburg zu ermöglichen (F. 218, 1689 Okt.-Dez., Fol. 1). Als im Frühsommer dieses Jahres kaiserliche Regimenter aus Böhmen zur Reichsverteidigung an den Rhein verlegt werden sollten, verweigerte Markgraf Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth die Genehmigung 3) Oswald v. Gschliesser, „Der Reichshof rat“, Wien 1942, S. 263/264. 21*

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