Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 8. (1955)

WINTER, Otto Friedrich: Die „Obere Registratur“ des Reichshofrates 1938–1954

Österreich 315 versitätsbibliothek wurde gebeten, mit ihren Büchern vermischte Akten der „Oberen Registratur“ fallweise zurückzustellen27). Das Archivgebäude am Minoritenplatz ist nahezu unbeschädigt er­halten geblieben; lediglich im XI. Lagergeschoß wurden durch Flieger­beschuß bzw. Bombensplitter ein Teil der Glasverkleidung und der Dek- kenverputz auf einer Fläche von ungefähr 5 m2 zerstört. Die „Obere Registratur“ wäre also bei Verbleiben an der Stelle kaum beschädigt worden. Die schweren Schäden an der Südostecke des Bundeskanzler­amtes, kaum 100 m entfernt, beweisen jedoch, daß das Risiko nicht zu verantworten gewesen wäre. III. Ordnung s- und Sicherungsarbeiten. Von den ins­gesamt 3088 Faszikeln nach der Bittnerschen Zählung waren etwa 817 — die in Haizendorf verlagerten und die aus Markhof im März 1945 zurück­gebrachten — keiner Gefährdung ausgesetzt. Von den übrigen 2170 Fas­zikeln hatten wohl mehr als die Hälfte keine Schäden erlitten, da sie durch darüber oder darunter liegende andere Faszikel vor dem Ein­dringen von Nässe und vor Verschmutzung geschützt waren. Es konnte also mit der Beschädigung bzw. mit dem Verlust von etwa 1000 Einheiten mit durchschnittlich ca. 1000 bis 1500 Folien gerechnet werden28). Art und Schwere der Beschädigungen waren allerdings ungemein vielfältig: Es gab innerhalb der schon genannten drei Stöße von nicht unmittelbar bestimmbaren Akten zahlreiche Faszikel, von denen einfach der Deckel weggekommen, unleserlich geworden oder nur die angeklebte Nummer abgefallen war, ohne daß die Akten versehrt gewesen wären. Es gab eine große Zahl von unbeschädigten Konvoluten — die Prozesse waren, wenn sie nicht einen ganzen Faszikel oder deren mehrere umfaßten, in mit Schnüren umwundenen Aktenpaketen zusammengefaßt — und Einzel­akten, die nur infolge des Zerreißens der durchnäßten Schnüre, vielfach erst bei der Beanspruchung, die durch das Tragen der Faszikel an diesen beim Rücktransport auftrat, auseinandergefallen waren. Es gab Faszikel, an denen die Feuchtigkeit nur die Ränder angegriffen hatte, während die Vorder- und Rückdeckel diese vom Schriftspiegel ferngehalten hatten, sodaß sie nach dem Austrocknen wieder fast vollwertig waren. Zerrissen waren nur wenige Akten, angekohlt überhaupt keine 29). Daneben gab es doch eine sicher über 500 Faszikeln entsprechende Menge von Akten, die durch langdauernde Durchfeuchtung oder Einwirkung des Sonnenlichts fast völlig verblaßt waren, die infolge Befalls durch verschiedene Arten von tierischen und pflanzlichen Schädlingen, infolge Beschmutzung durch Jauche und Dünger, infolge Verklebens zu brettartigen, kompakten Pa­27) Reg. d. HHStA., ZI. 409/1945. Die Übersendung eines Pakets Archivalien durch die Universitätsbibliothek hält ZI. 1195/1948 der Reg. d. HHStA. vom 13. Juli 1948 fest. 28) H. L. Mikoletzky hat im Jahrbuch der österreichischen Wissen­schaften, 2. Jahrgang 1949/1950, Wien 1950, S. 146, den Verlust der „Oberen Registratur“ mit 35—40% zweifellos wesentlich zu hoch angegeben. 29) Unmittelbarer Kampfeinwirkung kann der Bestand also nicht ausgesetzt gewesen sein. Ein Pistolengeschoß, das nach Durchschlagen mehrerer Seiten in einem Aktenkonvolut steckengeblieben war und dort gefunden wurde, ist sicher kein Gegenbeweis.

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