Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 8. (1955)

WINTER, Otto Friedrich: Die „Obere Registratur“ des Reichshofrates 1938–1954

Österreich 313 gen. Während in Haizendorf alles in Ordnung befunden wurde17), ergab sich in Markhof eine völlig andere Situation. Zweifellos infolge des Vormarsches der russischen Armeen an der Südostfront ordnete in einer am 12. Januar 1945 abgehaltenen Bespre­chung der Archivbevollmächtigte des deutschen Reiches, Generaldirektor Dr. Zipfel, „die Räumung der in der Nähe der Ostgrenze und der Pro­tektoratsgrenze gelegenen Ausweichstellen“, darunter namentlich des Gutes Markhof, an. In dem Aktenstück darüber heißt es jedoch weiter: „Dr. Bittner berichtet, daß in Markhof eine Auswahl (d. h. der wert­volleren Bestände) nicht möglich sei... Von der Räumung Markhofs muß infolge einer kategorischen Weigerung des Regierungspräsidenten, Trans­portmittel beizustellen, bis auf weiteres abgesehen werden“18). Das widerspruchsvolle Ergebnis dieser Besprechung spiegelt deutlich einer­seits die Rücksichtnahme auf die offizielle Endsiegparole des national­sozialistischen Regimes, andrerseits die Unmöglichkeit wirksamer Maß­nahmen angesichts der aussichtslosen Gesamtlage. Die Versuche der Beamten, doch noch Zuweisungen von Transportmitteln zu erreichen, schlugen meist fehl, schon angekündigte Transporte unterblieben immer wieder19); schließlich gelangten etwa 400 der in Markhof verwahrt ge­wesenen Faszikel der „Oberen Registratur“ im März 1945 nach Wien und wurden hier im Archivkeller deponiert20). Die projektierte Einlagerung der „Oberen Registratur“ im Keller der Laimgrubenkirche, Wien VI. — wobei 950 Faszikel infolge Erschöpfung des dort zur Verfügung stehen­den Raumes im Archivkeller untergebracht werden sollten —, blieb auf dem Papier21). So zweckmäßig die Verlagerung der Archivbestände in zahlreiche, in kleinen Orten und abgelegenen Gebäuden befindliche „Ausweichräume“ außerhalb Wiens als Luftschutzmaßnahme gewesen war, so ungünstig erwies sie sich, als Österreich Kriegsschauplatz wurde. Im April und Mai 1945 war jede Überwachung der auswärts verlagerten Archivalien abgerissen. Bezüglich der noch in Markhof verbliebenen etwa 2170 Faszi­kel der „Oberen Registratur“ erging am 9. Mai eine Anfrage an den damaligen Besitzer des Gutes, die unbeantwortet blieb22). Erst am 29. Juni gelangte Oberarchivrat Dr. Schwanke nach Markhof, konnte aber, da die Baulichkeiten mit russischen Truppen belegt waren, diese nicht betreten; durch Befragen Einheimischer erfuhr er, daß mindestens ein Drittel der eingelagerten Bestände von der Bevölkerung weggebracht und verheizt worden sei, aus eigenem Augenschein konnte er feststellen, daß ein Teil der Akten und Bücher ins Freie gebracht worden war und dort in Unordnung und der Witterung ausgesetzt lag. Seine nur von 17) Reg. d. HHStA., ZI. 935/1944 vom 28. Juni 1944 und Generaldirektion des österr. Staatsarchivs, ZI. 806/1945 vom 20. Juli 1945, bezüglich auf eine Besichtigung Ende Juni 1945. 18) Reg. d. HHStA., ZI. 47/1945, Direktion d. RA. Wien, ZI. 146/1945. 10) Reg. d. HHStA., ZI. 77, 124, 144/1945. 20) Vermerk im Bergungsverzeichnis, Reg. d. HHStA., ZI. 253/1944. 21) Reg. d. HHStA., ZI. 170/1945 vom 19. März 1945. 22) Reg. d. HHStA., ZI. 217/1945.

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