Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 8. (1955)

WINTER, Otto Friedrich: Die „Obere Registratur“ des Reichshofrates 1938–1954

Österreich 311 wissenschaftliche Zwecke ungenügende Repertorisierung nur an Hand der Klägernamen ein Hemmschuh und schließlich mluß betont werden, daß oft die Zusammenhänge und der Prozeßablauf erst durch die Gegen­überstellung mit den betreffenden Eintragungen in den Protokollbänden des Reichshofrates, mit den in anderen Serien befindlichen einschlägigen Akten oder mit den in den Archiven der an den Prozessen Beteiligten erliegenden Quellen eindeutig geklärt werden können. Das Fortschreiten der Zeit und eine Erschließung der „Oberen Registratur“, die ihren reichen Inhalt in vollem Umfange erkennen läßt, werden jedoch die in der Vergangenheit übliche Minderbewertung immer mehr hinfällig machen. II. Die „Obere Registratur“ 1938 bis 194 8. Trotz der wechselvollen, im Vorstehenden kurz umrissenen Schicksale war die „Obere Registratur“ in den weit über hundert Jahren ihres Archiv­daseins im Wesentlichen intakt geblieben. In dem nun zu schildernden Jahrzehnt brachen jedoch Ereignisse über sie herein, die zunächst ihren Weiterbestand in Frage zu stellen schienen. Die politischen Umwälzun­gen zogen auch den Archivalltag in ihren Bann. Aus Sicherheitsgründen wurden während der Sudetenkrise am 28. und 29. September 1938 die Bestände des X. und XI. Lagergeschoßes, also vornehmlich die „Obere Registratur“, in die Kellerräume des Archivgebäudes geschafft; vom 19. bis 31. Oktober wurden sie wieder hinaufgetragen. Dabei ergab sich zum ersten Male „der mißliche Umstand“, daß infolge Heranziehung fachlich nicht geschulter Hilfskräfte „die Faszikel in starke Umschich­tung geraten waren“, sodaß es der Arbeit mehrerer Beamter bedurfte, bis am 22. November die Bestände geordnet aufgestellt waren. Besondere Schwierigkeiten bot die schon geschilderte, bei jedem Tausend wieder mit 1 einsetzende Numerierung und der Verlust einiger Deckel bzw. auf­geklebter Faszikelnummern, der eine Neubestimmung nötig machte 10). Es würde zu weit führen, auf die während des Krieges durchgeführten Bergungsmaßnahmen im allgemeinen einzugehen. Die örtliche Lage des Haus-, Hof- und Staatsarchivs in unmittelbarer Nähe des Sitzes oberster Behörden machte sie besonders dringlich; der den objektiven Beobachter zum Teil verworren dünkende Ablauf der Geschehnisse ist erklärlich daraus, daß die Beamtenschaft einer völlig neuen, ungewohnten Aufgabe gegenüberstand und daß es gerade die Stellen, die auf Durchführung der Bergungen immer wieder drängten, vielfach an der Stellung des nötigen Personals, der Transportmittel und der geeigneten Unterbringungsräume fehlen ließen. Auf Grund schon am 17. August 1939 abgehaltener Vorbesprechungen „wurde am 1. September unter persönlicher Mitarbeit aller anwesenden wissenschaftlichen und mittleren Beamten, Amtsgehilfen und Scheuer­frauen sowie der von der Wirtschaftsstelle zur Verfügung gestellten Heizer mit dem Transport des Reichshofratsarchivs in den Keller“ be- * 13 10) Reg. d. Haus-, Hof- und Staatsarchivs, ZI. 4434/1938. Ein Betreff, „Vor­bereitungen für die Flüchtung der wichtigen Bestände“, ZI. 3304/1938 vom 13. September 1938, bezieht mit den übrigen Reichshofratsakten auch die „Obere Registratur“ ein.

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