Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bekämpfung der Hungersnot in Böhmen 1770–1772 durch Maria Theresia und Joseph II.
490 Erika Weinzierl-Fischer mand kömmt und holt es ..Die Hauptursache dieses Verhaltens sei aber doch der permanente Geldmangel, der vielen auch nur kleine Käufe einfach unmöglich mache80). Kressei bemühte sich daher, diesem Übel nach Kräften abzuhelfen81), wozu ihn die Kaiserin ausdrücklich ermächtigt hatte82). Da sich auch die von ihm in die Wege geleitete Getreideverkaufs- und Vorschußaktion langsam einlief und er die größte Not behoben zu haben glaubte, hielt Kressei seine Mission für beendet83). Er nahm noch an den Untersuchungen der Lothgarnkommission 84) teil und begab sich dann nach Wien zurück, wo er bereits Anfang Mai wieder in der Hofkommission tätig war85 *). Unterdessen war zunächst in Böhmen80) und dann in allen anderen Erblanden das Branntweinbrennen aus allen Getreidesorten — also auch aus Gerste und Hafer —- verboten worden87). Ferner hatten die böhmischen Stände die Kaiserin dringend, aber nicht sehr geschickt um Hilfe gebeten, so daß ihnen Maria Theresia am 12. April etwas gereizt mitteilte, sie werde ihnen von ihren älteren Supererogationen bis Ende September 80) 1771 III 25, Prag, Ebendort, n. 6. 81) Kressei hatte mit Bewilligung der Kaiserin Getreideanweisungen im Betrag von 50.000 fl. ausgestellt, für die die Obrigkeiten zu haften hatten und die später zurückgezahlt werden sollten (1771 III 7, Handbillett Maria Theresias an Hofkanzler Chotek, ebendort, März, n. 10). Außerdem scheint Kressei weitere 50.000 fl., die ursprünglich für den Straßenbau vorgesehen waren, unter der Bevölkerung in Form von Darlehen verteilt zu haben (1771 IV 15, Prag. Ebendort, April, n. 13), deren Rückzahlung allerdings von vornherein nicht zu erwarten war. Kollowrat legte daher der Kaiserin nahe, diese Summe als Almosen für wahrhaft Bedürftige zu betrachten und abzuschreiben (1771 IV 24, Note Kollowrats, ebendort). 82) Bei einer späteren Abrechnung ergab sich, daß Kressei die von der Kaiserin bewilligten 50.000 fl. um 1100 fl. überschritten hatte (1771 VII 11, Prag. Bericht des böhm. Guberniums, ebendort, Fasz. 3, Juli, n. 43). Diese wurden jedoch von der Hofkammer anstandslos bezahlt (1771 VIII 31, Auszug aus dem Hofkammerprotokoll, ebendort, Fasz. 3, September, n. 38), als der Kommissär ein persönliches Schreiben der Kaiserin vorlegte, nach dem sein großzügiges Vorgehen zweifellos berechtigt war: „wan er so grosse noth findete wie es sehr beförchte so stehe er nicht an denen leuten mit geld zu hellffen ich werde es ihme ersezen lassen, alles was er vor selbe auslegt ein billiet von ihme wie vili er ausgelegt, wird alsobald Mayer (geheimer Kammerzahlmeister) bezahlen er därffe es nur neny (Kabinettssekretär der Kaiserin) schicken. Maria Theresia“. Billett, ganz eigenhändig, ohne Datum (vermutlich vor der Abschickung Kresseis nach Böhmen, siehe oben S. 485, geschrieben), ebendort. 88) 1771 IV 15, Prag. Ebendort, Fasz. 1, April, n. 13. 84) Siehe oben S. 488. 85) 1771 V 11, Wien, Konzept von der Hand Kresseis. Ebendort, Fasz. 2, Mai, n. 12. 8°) 1771 II 27, ebendort, Fasz. 1, März, n. 21. Vgl. auch Schiitter, a. a. O., S. 372. 8?) 1771 III 1 und III 16, Kommission Fasz. 1, März, n. 25. — Sofort einlaufende Ansuchen um Ausnahmen (z. B. August Fürst von Sulkowsky, Herzog zu Bielitz: 1771 III 23) wurden abgelehnt. Ebendort, n. 26.