Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bekämpfung der Hungersnot in Böhmen 1770–1772 durch Maria Theresia und Joseph II.

Die Bekämpfung der Hungersnot in Böhmen 1770—1772 487 Kaisers, wie allerhöchstdieselben hofften, daß ich gerade aus Vorgehen werde“. Man kann dem Kommissär das Zeugnis ausstellen, daß er dies auch wirklich getan hat. Er sicherte sich zunächst die Hilfe der zustän­digen Militärkommandanten63) und traf sodann seine Verfügungen, die die Kreishauptleute mit Unterstützung des Militärs durchzuführen hat­ten 64): Jene Herrschaften, die nur soviel Getreide besitzen, als sie zur Deckung ihres eigenen Bedarfes benötigen, dürfen nichts abgeben. Alle anderen, die über Vorräte verfügen, müssen auf Verlangen jedem Unter­tanen zu den festgesetzten Preisen65 66) Getreide verkaufen. Wo nichts oder teurer verkauft und die Visitation der Scheunen verweigert wird, wird der gesamte Vorrat konfisziert. Das beschlagnahmte Getreide wird an die bedürftigsten Gemeinden und Einzelpersonen verteilt. Außerdem sind im Falle der Verweigerung der Visitation Wirtschaftsbeamte, Getreidehändler u. a. zu arretieren, Obrigkeiten und Geistliche sofort dem Kommissär oder, wenn dieser nicht anzutreffen ist, nach Wien zu melden. Je mehr Einblick aber Kressei in die tatsächlichen Verhältnisse in Mähren und Böhmen erhielt, desto stärker befestigte sich in ihm die Überzeugung, daß die Not weniger auf einen Getreidemangel als auf einen akuten Geldmangel zurückzuführen war. Denn wenn auch „wegen seiner Ankunft und dem daraus gezogenen Vorgeschmack“ noch schnell einiges Getreide verkauft worden sei, so wären doch immer noch über 100.000 Metzen überschüssiger Vorrat vorhanden. Die Not wäre nicht so groß, „wenn nur der Landmann Geld zum Kaufen hätte“. Aber dieser müsse in fruchtbaren Jahren sein ganzes Getreide zu so geringen Preisen verkaufen, daß er davon nur notdürftig seine Steuern und sein Gesinde bezahlen könne. Er verfüge daher weder über Vorräte, noch über Geld und sei des­halb bei jeder Mißernte hilflos dem Hunger preisgegeben68). Und obwohl im letzten Krieg der Getreidepreis auf 4—6 fl. gestiegen wäre, sei es damals nicht zu einer so argen Not gekommen, weil die Bauern damals eben genug Geld besaßen, um sich Getreide und Mehl kaufen zu können67). 63) 1771 II 25, Tschaslau. Kommission Fasz. 1, März, n. 6. 64) 1771 III 1, Tschaslau. Ebendort. 65) 1 Metzen Weizen 2 fl. 40 kr., Roggen 2 fl. 30 kr., Gerste 2 fl., Hafer 1 fl., Erbsen 2 fl. 40 kr. (für die Kreise Tschaslau, Kaurim, Chrudim). — 3 fl., 3 fl., 2 fl. 20 kr., 1 fl. 10 kr., 3 fl. (Bunzlau, Königgrätz, Bidschow, Saaz, Elbogen, Leit- meritz, Eger). — 2 fl. 50 kr., 2 fl. 40 kr., 2 fl. 10 kr., 1 fl., 2 fl. 40 kr. (Rakonitz, Pilsen, Klattau). — 2 fl. 40 kr., 2 fl. 40 kr., 2 fl. 10 kr., 1 fl., 2 fl. 40 kr. (Beraun). — 3 fl., 2 fl. 30 kr., 2 fl. 10 kr., 50 kr., 2 fl. 40 kr. (Tabor). — 3 fl.. 2 fl. 40 kr., 2 fl. 10 kr., 1 fl., 3 fl. (Budweis). — 3 fl., 2 fl. 40 kr., 2 fl. 10 kr., 50 kr., 2 fl. 40 kr. (Prachin). — 1771 III 18, Prag. Ebendort n. 15. — Über die unter­schiedlichen Getreidepreise auch in späterer Zeit in Böhmen, vor allem über die hohen Preise in den industrialisierten deutschen Randgebieten, vgl. Arthur Salz, Geschichte der Böhmischen Industrie in der Neuzeit, München-Leipzig 1913, S. 461 ff. 66) 1771 II 28, Tschaslau. Kommission Fasz. 1, März, n. 4. 67) 1771 III 18, Prag. Ebendort, n. 15.

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