Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

WASSILKO, Theophila: Die Internationale Musik- und Theaterausstellung Wien 1892 und das Obersthofmeisteramt

470 Theophila Wassilko Stellung einen vollen Begriff von der Musikstadt Wien“, schreibt Dr. Hans Paumgartner, der Musikrezensent der Wiener Zeitung. „Sie ist der Brenn­punkt des musikalischen Lebens der ganzen Welt, jeder Tonkünstler strebt ihr leidenschaftlich zu und ihrem Urteil unterwerfen sich die Musiker und Sänger aller Zonen und Völker“ 46). Doch auch die leichte Musik und der Volksgesang sind bei diesen „olympischen Spielen“ vertreten. Alphons Czibulka, Karl Komzak, Michael Ziehrer und Eduard Strauß dirigieren, russische und ungarische Zigeuner, rumänische Sänger und Spielleute, Bergschotten, Skandinavier, Steirer, Kärntner, Tiroler singen und musizieren unter den alten Praterbäumen. Auch der amerikanische Gesangverein „Arion“ aus New York beteiligt sich mit seinen Mitgliedern an diesem frohen Wettkampf. Im Ausstellungstheater47), dessen künstlerische Leitung Franz v. Jauner anvertraut war, sollten alle Stämme und Völker in ihrem künstlerischen Eigenwert und in ihrer geistigen Erscheinung zu Leben und Gestalt kom­men. Gastspiele der berühmtesten europäischen Bühnen in deutscher, fran­zösischer, italienischer Sprache fanden statt, Aufführungen der tschechi­schen, polnischen, ungarischen Nationaltheater und alle diese Stimmen einen sich zum großen Lied der Kunst, das machtvoll durch die Jahr­hunderte tönt. Adolph l’Arronge, der Direktor des Berliner Deutschen Theaters trat mit seinen Künstlern das erstemal außerhalb Berlins vor das Publikum. Unter ihnen waren Joseph Kainz und Else Lehmann. Die Comédie frangaise mit Got und Coquelin jun. war „eines der glanzvollsten Ereignisse“, ver­mochte aber die Wiener nicht zu erwärmen48). Es spielen die tragische Düse und die graziöse pikante Madame Rejeane vom Pariser Odeontheater. Überraschung und Höhepunkt bildete jedoch das böhmische Landes- und Nationaltheater, das mit der „Verkauften Braut“ von Smetana, die das erstemal in deutscher Sprache über die Bühne ging, wahre Beifallsstürme entfesselte. Und das in einer Zeit, wo das Donaureich durch schwere innere Kämpfe geschüttelt wurde, wo die nationalen Gegensätze die Kräfte der Monarchie zu zerstören drohten und das Streben aller Gutgesinnten nach Herbeiführung eines Ausgleichs dieser Spannungen gerichtet war. „Aus­gleichs-Abende“ wurden diese Abende genannt. „Die Kunst hat in diesem Falle wieder einmal bewiesen, daß sie hoch über allen Gegensätzen einher­schreitet, daß sie die Völker nähert, daß sie einigt.“ Diese Worte sprach der Direktor dieses Theaters F. A. Subert. Und er schloß seine Abschieds­rede mit den Worten: „Möge nur Gott geben, daß eine Annäherung und 46) Wiener Zeitung am 24. Juni 1892. 47) Es war nach den Plänen von Helmer und Fellner nach dem Muster des Bayreuther Festspielhauses erbaut worden. 48) Pauline Metternich war es zu danken, daß die Comédie frangaise nach Wien gekommen ist. — Sie mobilisierte alle ihre Freunde in Paris, um dieses Gastspiel bei der französischen Regierung durchzusetzen.

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