Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
STRASSMAYR, Eduard: Das Archiv der Stadt Enns
Das Archiv der Stadt Enns 441 und sachliche Gliederung nicht mehr feststellen. In einem großen Raum, der sich an den im ersten Stockwerk des alten Rathauses (Hauptplatz 19) gelegenen Ratssaal anschloß, waren die Archivalien unter sicherer Sperre untergebracht. Das rasche Anwachsen der Kainzleiakten seit den Verwaltungsreformen Maximilians I. erforderte eine umsichtige Archivpflege als Grundlage einer geordneten Verwaltung. Wie kaum ein anderes Land hat Oberösterreich auf archivalischem Gebiet im 18. Jahrhundert eine ersprießliche Tätigkeit entfaltet. In stillen Klosterräumen und in den Briefgewölben der Schlösser und Städte haben Männer, von wissenschaftlichem Geist und praktischem Sinn erfüllt, Ordnung in die Schriftenmassen gebracht und dadurch eine klaglose Amtsführung und Benützung der Geschichtsquellen ermöglicht. Den Archivhütern Abt Bernhard Lidi von Mondsee, Georg Adam Freiherrn von Hoheneck, Hofrichter Dr. Benedikt Finsterwalder von Kremsmünster und Registrator Leopold Josef Sint in Linz reihte sich der rastlos tätige Archivar Johann Adam Trauner an, der seine ganze Lebenskraft der mustergültigen Katalogisierung von 20 Stifts-, Schloß-, Stadt- und Marktarchiven widmete8). Was in mühevoller Archivarbeit auf gebaut worden war, zerstörte der gesehichtsfeindliche Josefinismus und das 19. Jahrhundert. Durch die Klosteraufhebung ging geschichtlich wertvolles Quellenmaterial zugrunde. Die Geistesrichtung der Romantik wandte ihre ganze Obsorge den Urkunden als Zeugen einer großen deutschen Vergangenheit zu und vernachlässigte den Schutz der Akten, dieser aufschlußreichen Quellen für die geschichtliche Erkenntnis. Mangelndes Verständnis und Platznot führten zu radikalen Skartierungen. So fiel das Linzer Stadtarchiv im Jahre 1823 dem Raummangel zum Opfer, da im beengten Rathaus Kanzleien für das neu errichtete Stadt- und Landrecht bereitgestellt werden mußten9). Fast die gesamten Aktenbestände und neun Zehntel aller Handschriften wan- derten in die Papiermühle Steg bei Linz. Die von dem städtischen Registrator und Expeditor Leopold Josef Sint im Jahre 1731 angelegten umfangreichen Archivrepertorien (4 Bände) geben heute noch Zeugnis von den einstigen Archivschätzen der Landeshauptstadt. Die im Mittelalter blühende Handels- und Grenzstadt Freistadt büßte in den Jahren 1827 und 1839 bei Aktenausscheidungen 21% Zentner Altpapier ein'0). Trotz diesem beklagenswerten Verlust, der 20 Prozent des 8) E. Straßmayr, Archivar Johann Adam Trauner. Ein Beitrag zur oberösterreichischen Archivgeschichte des 18. Jahrhunderts. Jahrbuch des oberösterreichischen Musealvereines, Bd. 81 (Linz 1926), S. 255 ff. °) A. Zöhrer, Das Archiv der Stadt Linz. Jahrbuch der Stadt Linz 1935 (Linz 1936), S. 35 ff. — Linzer Regesten, Bd. BI A 1, bearbeitet von Georg Grüll (Linz 1954), Vorwort. Hektographierte Ausgabe des Kulturamtes der Stadt Linz. — G. Grüll, Das Linzer Bürgermeisterbuch (Linz 1953), S. 9 f. i°) Oberösterreichisches Landesarchiv Linz, Archivrepertorium von Freistadt, angefertigt von G. Grüll, Bd. 1.