Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
BENNA, Anna Hedwig: Studien zum Kultusprotektorat Österreich-Ungarns in Albanien im Zeitalter des Imperialismus (1888–1918)
42 Anna Hedwig Benna definitiver Zustände in den von Serbien besetzten Gebieten der Auffassung, die Frage des Kultusprotektorates gehöre zu den Angelegenheiten, die nicht ohne Österreich-Ungarns Einverständnis gelöst werden könnten, Österreich- Ungarn werde jedoch, falls die kirchlichen Fragen befriedigend durch das Konkordat gelöst werden könnten, lediglich die ihm traditionell zustehenden Ehrenrechte, welche nur retrospektive, historische Bedeutung haben und in denen die Dankbarkeit der Kirche für erwiesene Wohltaten zum Ausdruck kommt, beanspruchen. Eine befriedigende Lösimg erblickte Berchtold darin, wenn Serbien in dem Konkordat die Verpflichtung übernahm, für die materiellen Erfordernisse des katholischen Klerus und Kultus zu sorgen und im Sinne der Londoner Konferenz den rechtlichen und materiellen Bestand der in den Neuerwerbungen bestehenden Pfarrschulen zu garantieren 165). In Rom hielt man nicht allzu viel von den praktischen Auswirkungen und vor allem von der Erfüllung der materiellen Bestimmungen des Konkordates durch Serbien. Der Vatikan sah das Gespenst eines papierenen Abkommens heraufziehen 166). Man zweifelte in Rom nicht daran, daß die Vorteile des Abkommens völlig auf Seiten des serbischen Vertragpartners lagen167). Pasié sprach offen davon, der Abschluß eines Konkordates werde die Schutzherrschaft einer fremden Macht über die Katholiken beseitigen 168). Trotzdem sah sich der Vatikan im Interesse der Katholiken Serbiens gezwungen, den Vertrag abzuschließen, und appellierte an Österreich-Ungarn, auf sein Kultusprotektorat zu verzichten und in Erinnerung an seine traditionellen Gefühle für die Kirche, den Abschluß des Konkordates zu erleichtern169). Es kam während der Verhandlungen immer wieder zu enger Fühlungnahme zwischen dem Staatssekretariat und der österreichisch-ungarischen Botschaft, es gab regelmäßigen Meinungsaustausch des Kardinalstaatssekretärs und Msgr. Pacellis, der die Hauptlast der Verhandlungen mit den serbischen Unterhändlern, dem serbischen Gesandten in Paris, Vésnie, und dem aus Sebenico stammenden katholischen Advokaten Dr. Lujo Bakotic, zu tragen hatte, mit Botschafter Schönburg 17°). Schönburg präsentierte im Staatssekretariat eine Reihe von Vorschlägen und Vorbehalten gegen den serbischen Entwurf; Österreich-Ungarn war es vor allem um die materielle Sicherung des Klerus und Kultus, um Garantien für den Unterricht in albanischer Sprache an den Pfarrschulen, um 165) Ebenda, Weisung an Schönburg (Rom V), 5263, 1913 November 9, Weisung an Ugrón (Belgrad), 5264, 1913 November 8. 166) Ebenda, Bericht Schönburg, Rom V, 36 B, 1913 November 20. 167) Ebenda, Bericht Schönburg, Rom V, 7 B, 1913 März 13. 168) Ebenda, Bericht Giessl, Belgrad, 67 B, 1914 Mai 8. 169) Ebenda, Memoire des Heiligen Stuhls, Beilage zu Bericht Schönburg, Rom V, 17 A—D, 1914 Mai 19. 176) Ebenda, Telegr. Schönburg, Rom V, 5, 1914 Jänner 21, Bericht Schönburg, Rom V, 2 B, 1914 Jänner 29. Bericht Schönburg, Rom V, 17 C, D. 1914 Mai 19; 20, 1914 Mai 31. Telegr. Schönburg, Rom V, 1914 Mai 31, Juni 1, 5, 9.