Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

REGELE, Oskar: Die Schuld des Grafen Reinhard Wilhelm von Neipperg am Belgrader Frieden 1739 und an der Niederlage bei Mollwitz 1741

Die Schuld des Grafen Neipperg am Belgrader Frieden 389 Stadt bekomme, so würde das Anbegehren an Mannschaft zur Verstärkung der Garnison unaufhörlich sein, woraus endlich erfolgen dürfte, daß die ganze Armee, welche alltäglich abnehme und immer mehr erkranke, in Belgrad hineingeworfen und mithin der Feind Belgrad samt der Armee einsperren würde. Er sehe diese traurigen Folgerungen vor, gegen welche man hernach keineswegs mehr einige Remedur werde finden können, zu­mahlen unsere ganze Infanterie aus so wenigen tausend Mann bestehe, daß man solches auszusprechen recht erschrecken möge“ 45). An Lobkowitz schrieb Wallis Ende August: „könne er nicht bergen, was mahsen die Armee durch die immer anwachsenden Krankheiten dermahsen geschwächt sei, daß ohne erlangender Verstärkung er dem Feind ... sich entgegen zu stellen nicht im Stande wäre“ 46). Noch deutlicher wird die Lage in Belgrad bei Betrachtung der Standes­meldungen: am 30. 7. gab es in der Festung von einem Soll-Stand von 28.200 Mann bloß einen effektiven Stand von 15.887 Mann, von denen nach Abzug aller Undienstfähigen — es wütete auch die Pest — nur 8940 Kämpfer verblieben, die am 16. 8. einen Stand von 8000—9000 Mann auf­wiesen, dann bis zum 14. 8. auf 11.390 Dienstbare von einem Gesamtstaind von 20.533 Mann verstärkt wurden. Am 28. 8. meldete Suckow 5086 Dienstbare von insgesamt 7673 Infanteristen, bei denen es keine geregelte Ablösung mehr geben konnte. Einer Meldung vom 5. 8. ist zu entnehmen, daß schon 4000 Kranke aus der Festung geschafft wurden, daß aber wieder 2600 neue Erkrankungen vorliegen. Die bei Belgrad operierende Armee zählte im Juli 55.653 Mann, nach der Schlacht bei Grozka nur mehr 40.000 Mann, im Lager von Surdock am 16. 8. 35.300 Mann, bei Sémiin am 30. 8. 26.378 Dienstbare von einem Gesamtstand von 58.862 Mann. Demgegenüber wird die anfängliche Stärke der Türken mit 116.000 Mann angegeben, von denen nach Abrechnung eingetretener Abgänge noch immer soviele geblie­ben sein mußten, daß von einer mindestens doppelten türkischen Überlegen­heit gesprochen werden konnte. Zu dieser Standesmisere gesellte sich noch eine allgemeine Versorgungskrise der Armee, die den Hofkammerrat und Feldproviantsamt-Oberstleutnant Josef Harrucker zu einer Beschwerde an die Hofkammer veranlaßte, in der darüber geklagt wurde, daß infolge der systemlosen Weisungen die Versorgung der Truppen einfach unmöglich gemacht werde47). Nach all dem hätte also ein wahres Wunder eintreten müssen, um Bel­grad den Türken streitig zu machen und man muß eigentlich staunen, daß man es in der Vergangenheit unterlassen hat, die Situation am 1. 9. 1739 auch nach der militärischen Kräftelage detailliert klarzustellen. Neip­perg hat nicht grundlos gefürchtet, daß leicht die ganze österreichische 45) Browne, a. a. O., S. 432 f. 48) Browne, a. a. O. 47) K.A., Feldakten, 1739-8-24 g.

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