Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

REGELE, Oskar: Die Schuld des Grafen Reinhard Wilhelm von Neipperg am Belgrader Frieden 1739 und an der Niederlage bei Mollwitz 1741

Die Schuld des Grafen Neipperg am Belgrader Frieden 385 bunden, möglicherweise sogar die österreichische Post abgefangen und dem General Wallis war vom Kaiser am 23. 8. jeder Verkehr mit Neip­perg untersagt worden, solange dieser bei den Türken weile. In seiner zweiten Rechtfertigung führt Neipperg aus, Wallis habe ihn nie­mals genau orientiert und bis zum kaiserlichen Handschreiben vom 11. 8. über die bereits erfolgten Unterhandlungen (Villeneuve und Gross) in Un- kenntis gelassen. Der sonst so zurückhaltende Neipperg unterließ es nicht, darauf hinzuweisen, wie mangelhaft Wallis in seiner Befehlgebung war und wie befremdend sein ganzes Verhalten allgemein empfunden wurde. Eiin Streiflicht auf das mangelnde Einverständnis zwischen den beiden Generalen wirft Schmettau 37), der behauptet, Wallis habe sich an N e i p p e r g wegen der Übertragung der Verhandlungsvollmacht dadurch gerächt, daß er ihm weder von der angeblich gebesserten Lage in Belgrad noch vom kaiserlichen Schreiben vom 24. 8. Kenntnis gab. Wegen der Zuge­ständnisse bezüglich Orsova und der Durchführung einiger Präliminarien vor Ratifizierung machte N eipperg geltend: „In summa diese letzten 3 Objekte waren viel zu klein, um das ganze Friedenswerk mit den Forti- fikationen von Belgrad in Gefahr zu bringen.“ Die sofortige Ausführung einiger Vertragspunkte wurde damit begründet, daß das Handschreiben vom 18. 8. zur völligen Evakuierung von Stadt und Festung ermächtigt habe, soferne dafür der Friede erkauft ist. Dieser war aber nur zu haben, wenn dem Türken Sicherheiten und Vertrauenbeweise geboten würden-—im Gegenfalle wäre die feindliche Armee versammelt geblieben und hätte weiter den Frieden und das zur Zeit viel zu wenig gerüstete Österreich bedroht. Nach dem Tode des Kaisers stellte Maria Theresia die Unter­suchung mit einem Hofdekret ein 38), und verfügte, Neipperg sei in jeder Hinsicht zu rehabilitieren und der königlichen Gnade zu versichern. Am 10. 11. 1740 war Neipperg „seines bisherigen Arrestes nunmehr vollkommen entlassen“ 39 *). Zu bemerken bleibt, daß sich die Kommission nicht mit der — auch nach T u p e t z entscheidenden und Neipperg wesentlich entlastenden —- politisch-militärischen Vorgeschichte seit 1736 befaßt hat, sondern lediglich mit dem Hergang der vierzehntägigen unmit­telbaren Verhandlungen, welcher Verfahrensmangel zwangsläufig ein ebenso ganz einseitiges Bild liefern mußte, wie 125 Jahre später beim Verfahren gegen den General Benedek. Zwei Fragen sind es nun hauptsächlich, die an dem ganzen Falle bis heute unklar geblieben waren: die Frage, wer eigentlich den Türken Belgrad „angeboten“ hat, denn derVerlust der 37) Comte de Schmettau: „Mémoires secretes de la guerre de Hongrie pen­dant les campagnes de 1737, 1738 et 1739“, Francfort 1786. 33) K.A. — Feldakten, Böhmen und Schlesien 1740, Fasz. 11/4. 39) K.A. — Feldakten 1740, Nov., 444. Mitteilungen, Band 7 25

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