Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
REGELE, Oskar: Die Schuld des Grafen Reinhard Wilhelm von Neipperg am Belgrader Frieden 1739 und an der Niederlage bei Mollwitz 1741
374 Oskar Regele der Obersthofmeister des Kaisers Franz Joseph I., Fürst Alfred (1854—1927). Reinhard Wilhelm Neipperg, Wilhelm und Alfred Monte- nuovo und der 1866 die österreichisch-massauische Division kommandierende General Erwin Neipperg (1813—1897) waren Ritter vom Goldenen Vliese. Am 27. 5. 1684 geboren, trat Neipperg in das Heer und wurde 1715 Oberst in seines Vaters Regiment, dem er dann bis zu seinem Tode als Inhaber angehörte. Im Türkenkriege 1716/17 zeichnete er sich bei Temesvár, Peterwardein und Belgrad wie aucn bei einem kühnen Unternehmen über die zugefrorene Donau bei Rám aus und erhielt 1716 die damals höchste Auszeichnung, ein kaiserliches „Dankbriefl“. Er stand sowohl bei Graf C. F. M e r c y als auch bei Prinz Eugen in hohen Gnaden, weshalb er 1718 nach dem Passarowitzer Frieden als kaiserlicher Kommissär zur Grenzfestlegung entsendet wurde. 1719/20 kämpfte er in Sizilien gegen die Spanier, wurde bei Francavilla verwundet und ging auch aus diesem Feldzug mit Auszeichnung hervor. Entscheidend für sein weiteres Leben wurde 1723 seine Berufung als Obersthofmeister und Erzieher des Herzogs Franz Stefan von Lothringen, der seinen Lehrer nie vergessen sollte. Seit 1726 „in Ansehung . .. auch seiner Vor- und Eltern sowohl als seiner Selbsterworbenen Verdienste .. J) in den Grafenstand erhoben, kam Neipperg 1730 als Kommandant nach Luxemburg, von wo aus er gleichzeitig die Aufgaben eines Gesandten am lothringischen Hofe versah. Die in Italien vor sich gehenden Kämpfe des polnischen Thronfolgekrieges machte er als Feldmarschalleutnant mit, focht 1734 gegen die Franzosen erfolgreich bei Quistello, deckte bei Guastalla geschickt den Rückzug und entsetzte im selben Jahre Mirandola. Mit seiner für „in Kriegs- und Staatssachen“ erworbene Verdienste erfolgten Ernennung zum Feldzeugmeister 1735 — in diesem Jahre neuerlich als Truppenführer in Italien und Tirol erprobt — und seiner Berufung zum Gouverneur des Banates 1737 endet der erste Lebensabschnitt, nach A r n e t h „eines der kenntnisreichsten Offiziere des kaiserlichen Heeres, welcher sich in den letzten Kriegen gegen die Türken sowie in dem Feldzug auf Sizilien besonders hervorgetan hatte und von dem Prinzen Eugen mit Vorliebe auch zu anderen als zu rein militärischen Aufträgen verwendet worden war“ * 2). Wie für ganz Österreich sollte der Türkenkrieg 1736/39 auch für Neipperg wechselvolle Schicksale bringen. Zwar vermochte dieser durch geschickte taktische Führung seinen bisherigen Ruf zu bewahren, der mißliche Ausgang des Krieges riß aber auch ihn in den Abgrund, als er am 1. 9. 1739 den Frieden von Belgrad abschloß, dessen nähere Umstände seine Gestalt für immer verdunkelten. Mit dem Oberkommandanten Georg Olivier Graf Wallis und mit Friedrich Heinrich Graf von Seckendorf vor Gericht gestellt, wurde er zunächst mit 26. 6. 1739 bei Raab, im Dezember 1) K.A.-H.K.R.-Nobilitierungen. 2) „Maria Theresias erste Regierungsjahre“, Wien 1863, I., S. 10 f.