Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

BENNA, Anna Hedwig: Studien zum Kultusprotektorat Österreich-Ungarns in Albanien im Zeitalter des Imperialismus (1888–1918)

22 Anna Hedwig Benna und der Justiz gemachten Fortschritten47). Es konnte daher nicht aus- bleiben, daß Msgr. Azarian sehr bald den Kardinalstaatssekretär von dem Wunsch des Großwesirs, ein Konkordat mit dem Heiligen Stuhl abzuschlie­ßen, in Kenntnis setzte48). Djevad Pascha teilte diesen Wunsch seiner Regierung sogar dem Apostolischen Delegaten, Msgr. Bonetti, offiziell mit. In die Verhandlungen von 1887 war Msgr. Bonetti allerdings nicht ein­bezogen worden. Der Apostolische Delegat und der österreichisch-unga­rische Botschafter standen dem Konkordatsplan von Anfang an skeptisch gegenüber, da sie nicht der Ansicht waren, das Konkordat könne die von den christlichen Mächten geübten Schutzrechte ersetzen49 *). Eine Nachprü­fung dieser Annahme an Hand der Konsulats- und Gesandtschaftsberichte über die zahlreichen Interventionen gegenüber der türkischen Verwaltungs­praxis dürfte für deren Richtigkeit sprechen. Es war nun das Streben der türkischen Regierung darnach gerichtet, die Stellung der katholischen Kirche der Stellung der indigenen, orientalischen Kirchen anzugleichen. Dazu hätte es vor allem eines indigenen Episkopates bedurft — die albane- sischen Bischöfe waren aber nichttürkischer Nationalität, ihre Bestellung erfolgte auf Intervention der österreich-ungarischen Botschaft durch Berat '10). Es kann nicht geleugnet werden, daß bezüglich der Schaffung einer indigenen Hierarchie eine weitgehende Interessengemeinschaft zwi­schen Pforte und Heiligem Stuhl bestand. Zielt doch die Missionstheorie auf die Schaffung einheimischer Kirchen in den Missionsländern51). Die Pforte erwartete jedenfalls von den Stipulationen des Konkordates das Ende der Beratserteilung an Bischöfe nichttürkischer Nationalität und die Beschränkung der Schutzrechte auf den Art. 62 des Berliner Vertrages52). Kardinal Rampolla ließ sich nun mit Hinsicht auf Msgr. Azarians Ver­sicherungen von einer zu erwartenden wohlwollenden Haltung Österreich- Ungarns gegenüber dem Abschluß eines Konkordates mit der Türkei in Verhandlungen mit der Pforte ein, allerdings nicht ohne vorher Azarian mit Unterhandlungen mit dem österreichisch-ungarischen Botschafter Calice beauftragt zu haben53). Grundlage dieser Unterhandlungen bildete eine im Staatssekretariat ausgearbeitete Punktation, welche Msgr. Azarian, wie sich nachträglich herausstellte, Calice nur teilweise mitteilte; Azarian beschränkte sich auf folgende Punkte: Anerkennung der Suprematie der kirchlichen Jurisdiktion des Papstes für sämtliche Katholiken des Türki­47) Ebenda, Bericht Calice, Konstantinopel, 24 G, 1892 Mai 9. 48) Ebenda. 49) Ebenda. so) Vgl. Botschaftsarchiv Konstantinopel. Ältester Bestand Fz. 5, Berate für Bischöfe. Zum Berat-Diplom für Einzelpersonen vgl. Lammeyer, a. a. 0., S. 34. 51) Vgl. Thauren, a. a. O., S. 1 f. 52) PA XII, 234. Bericht Calice, Konstantinopel, 24 G, 1892 Mai 9. °3) Ebenda, Bericht Revertera, Rom V, 13 A—C, 1892 Mai 16.

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